

Wir mussten früh raus. Der Wecker riss uns mit seinem Gebimmel schon um vier Uhr am Morgen aus unseren lieblichen Träumen. Dabei hatten wir den ersten Schock schon am Abend zuvor hinter uns. Aber das war eigentlich auch schon das zweite böse Erwachen. Fangen wir am besten mal von vorn an:
Davor
Der Besuch von Angkor Wat ist nicht einfach ein Tagesausflug, den wir kurz beschließen und dann in die Tat umsetzen konnten. Im Gegenteil, die Besichtigung wollte gut geplant sein, damit wir das Beste aus dem Tag herausholen konnten und in dem riesigen Areal zumindest alle wichtigsten Tempel zu Gesicht bekamen. Also haben wir uns zwei Tage zuvor ein paar Stunden Zeit genommen, um im Internet und im Reiseführer zu schmökern. Von der Geschichte über die besten Plätze für den Sonnenauf- und Sonnenuntergang kamen wir zu allgemeinen Informationen wie den Öffnungszeiten und Preisen. Letztere waren ausschlaggebend für einen bedrückenden Zwiespalt, der uns in den folgenden Tagen nicht mehr loslassen sollte. Natürlich hatten wir uns schon Monate zuvor grob über die Eintrittspreise informiert. Dabei haben wir aber übersehen, dass sich der Preis für die heiß ersehnte Tageskarte beinah verdoppelt hatte, nämlich von 20$ auf satte 37$ pro Person!
Wir mussten uns erstmal setzen. Damit hatten wir nicht gerechnet. Dann ging die Diskussion und das große Überlegen los. Wir sammelten pro und contra Argumente für und gegen den Besuch, entschieden uns mehrmals um und informierten uns sogar über die Gebühren, die man zahlen muss, wenn man ohne Ticket erwischt wird („vielleicht können wir uns ja doch irgendwie einschmuggeln“, haben wir gedacht). Doch unterbewusst stand die Entscheidung eigentlich schon lange fest: wir müssen da rein. Wenn wir schonmal in Siem Reap sind und die wahnsinnig bekannten Tempel vor der Nase haben, würden wir uns doch später ärgern, wenn wir sie nicht anschauen. Wir hatten also keine Wahl. Am abstoßendsten an der Preiserhöhung waren die Hintergründe dazu, die wir Online gelesen hatten. Eine private Firma hatte die Verwaltung des Weltkulturerbes an eine staatliche Organisation abgegeben. Mit circa 6000 Besuchern am Tag wird ein Umsatz von ungefähr 6,5 Millionen Dollar im Monat generiert! Sicherlich müssen die Mitarbeiter davon bezahlt und die Anlagen in Schuss gehalten werden, doch wodurch wird jetzt genau der neue Eintrittspreis gerechtfertigt? Es gibt ja keinen direkten Mehrwert für den Besucher. Dass Kambodscha im Jahr 2017 Platz 161 von 180 Ländern im Korruptionswahrnehmungsindex (Tranparency International) belegte, war uns bereits bekannt. Wir konnten uns also ausmalen, was mit den vielen Geldern passieren würde. Aber am Ende zählte nur: Ticket kaufen oder nicht? Auch wenn wir die Preiserhöhung unverschämt fanden, nicht wussten was mit dem Geld passieren würde und wie alle anderen Touristen der Preispolitik chancenlos ausgesetzt waren, fanden wir uns doch am Abend vor dem großen Tag am Ticketschalter, der einige Kilometer vom Haupttor entfernt liegt, wieder. Da war schon einiges los. Neben dem Tagesticket wird ein Dreitages- und Wochenticket angeboten. Die meisten Besucher entscheiden sich jedoch für das Tagesticket und nutzen – wie wir – die Möglichkeit, am Abend zuvor um 16:45 Uhr das Ticket zu kaufen und einen zusätzlichen Sonnenuntergang zu sehen. Die Schlangen vor den unzähligen Schaltern wurden immer länger. Wir waren bereits eine halbe Stunde früher da und warteten auf den Verkaufsstart. Gegen 17 Uhr hatten wir die Tickets endlich in der Tasche und eilten mit dem Roller Richtung Tempelanlage.
Dabei
Wir hatten uns den „Phnom Bakheng“- Tempel für den Abend ausgesucht, da dieser auf einem Hügel liegt und bis 19 Uhr geöffnet ist. Die Idee hatten nicht nur wir. Als wir nach 20 Minuten Fussmarsch endlich die Spitze des Hügels erreichten und um die Ecke zur Treppe liefen, die auf den Tempel führte, sahen wir das Dilemma. Eine elendig lange Schlange von wartenden Menschen reihte sich auf. Und es ging nichts voran. Nur ab und zu wurden fünf bis zehn Leute hinauf gelassen. Gleichzeitig neigte sich die Sonne immer tiefer und tiefer dem Horizont entgegen. Es kam wie es kommen musste, wir verpassten den Sonnenuntergang und durften erst danach, als mit einem Strom viele Menschen die Plattform verließen, die steilen Treppenstufen erklimmen. Oben angekommen besahen wir uns die nebelgraue Umgebung rundherum und die alten Steine und Gemäuer dieses Tempels. Wir hatten nicht unbedingt viel verpasst, was wir zuvor natürlich noch nicht wussten, und traten bald den Rückweg an. Nach dem Abendessen gingen wir auch schnell ins Bett, um am nächsten Morgen wieder fit zu sein. Wir träumten von langen Warteschlangen vor jedem Tempel und konnten vor kindlicher Aufregung kaum einschlafen.
Als wir in aller Frühe endlich auf dem Roller saßen und Richtung Angkor Wat unterwegs waren, hatten wir erneut etwas Eile. Die Minuten bis zum Sonnenaufgang waren knapp bemessen. Eine rote Ampel ignorierten wir kurzerhand und sahen zu spät den Polizisten, der mit seinem Motorrad direkt an der Kreuzung stand. Sven linste vorsichtig in den Rückspiegel. Tatsächlich, er folgte uns. Dafür hatten wir nun wirklich keine Zeit! Wir warteten auf das Stoppsignal von hinten. Nichts regte sich. Stattdessen bog der Mann in der Uniform um die nächste Ecke und war verschwunden. Was waren wir erleichtert! Die dunkle Straße führte uns bis zum Checkpoint, wo ein Kontrolleur mit Hilfe einer Taschenlampe die Vorbeifahrenden in Touristen und Nicht-Touristen sortierte. Wir sahen anscheinend wie Touristen aus und wurden angehalten. Nach der Ticketkontrolle durften wir weiterfahren. Den Sonnenaufgang schauten wir uns am „Sra Srang“- See an. Bei der Ankunft konnten wir nirgends einen Tempel oder Touristen ausmachen und waren uns deswegen nicht ganz sicher, ob der Platz gut sein würde. Als wir schon woanders hin fahren wollten, entdeckten wir das Überbleibsel eines kleinen Tempels, das ein paar hundert Meter weiter am Ufer des Sees mit wenigen Besuchern besetzt war. Den Roller parkten wir direkt daneben und gesellten uns dazu.
Nach dem ausgiebigen Sonnenaufgang schauten wir uns am Vormittag den „Pre Rup“, „Ta Prohm“ (Tomb Raider Tempel) und „Ta Keo“ an, bevor wir uns für die Frühstückspause wieder an den See setzten.
Dann waren noch die beiden Tempel „Bantey Kdei“ und „Kravan“ dran, bevor es endlich zum Haupttempel, dem „Angkor Wat“, ging.
Im Gelände des Haupttempels pausierten wir für das Mittagessen. Die gebratenen Nudeln handelten wir von sechs auf zwei Dollar herunter und zutschten gierig am süßen Eiskaffee. Jetzt waren wir von der Hitze, dem Laufen, Schauen und zeitigen Aufstehen langsam etwas erschöpft. Trotzdem mussten wir weiter, denn die Tempel „Bayon“, „Baphuon“, „Angkor Thom“ und „Preah Khan“ wollten wir uns nicht entgehen lassen. Wir parkten den Roller im Schatten und machten uns tapfer auf den Weg. Einen Sonnenuntergang gab es durch den wolkigen Himmel leider nicht zu bestaunen. Deswegen fuhren wir noch den großen Zirkel entlang und machten uns dann nach einem sehr langen und ereignisreichen Tag auf den Heimweg.
Danach
Die Tempel waren schon sehr beeindruckend! Wir haben uns immer vorgestellt, wie die französischen Kolonialherren die imposanten verlassenen Bauwerke vor 150 Jahren irgendwo im dichten Dschungel entdeckten. Riesige lächelnde Gesichter, monströse Mauern mit filigranen Darstellungen übersät und alles in einem derart überwältigenden Ausmaß, dass man sich sehr leicht verlieren und verlaufen kann. Was mochten die Franzosen wohl dazu gesagt haben?
Schade ist natürlich der horrende Eintrittspreis, der die Freude an der Besichtigung trübt. Auch dass die kambodschanischen Besucher von dem Eintrittsgeld komplett befreit sind, ist unserer Meinung nach nicht der richtige Weg. Warum sollten denn nur die ausländischen Besucher zahlen und dann auch noch so viel? Es sollte doch gerade im Interesse der Einheimischen sein, die Tempel zu schützen und zu erhalten. Durch ein zumindest geringes Eintrittsgeld würde sicherlich das Bewusstsein und der Respekt vor dem asiatischen Weltkulturerbe auch bei der einheimischen Bevölkerung wachsen.
Unsere Sorge des langen Anstehens hatte sich zum Glück in Luft aufgelöst, doch die Besuchermassen waren schon ab und zu ein bisschen anstrengend. Die Tempel hätten ohne Menschen sowieso nochmal ganz anders gewirkt.
Aber nichtsdestotrotz würden wir den Besuch auf jeden Fall weiter empfehlen. Uns hat der „Ta Prohm“, der Dschungeltempel, der von Lara Croft schon zum Einstürzen gebracht wurde, am besten gefallen. Dort ranken sich überdimensional dicke und lange Wurzeln durch das Gemäuer und bringen mit ihrer Lebendigkeit das alte Gestein gefährlich ins Wanken. Ein spannender und unendlich langsamer Kampf zwischen Mensch und Natur.
Also wenn ihr mal nach Kambodscha kommt, dann packt genügend Dollar ein und nehmt euch mindestens einen Tag für die Tempel Zeit – es lohnt sich schon!
4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Mega spannend und tolle Fotos. Zum Glück habt ihr euch für den Besuch entschieden.
Die Tempelstadt ist überwältigend. Gut das ihr euch dafür entschieden habt!
Super Bilder um die ganzen Eindrücke noch mal zu verarbeiten und uns daran teilnehmen zu lassen. LG Eure Ellis
Herrlich, wie die Bäume das Gelände bewachsen und ihre Wurzeln über Mauern ausbreiten! Wird dort auch restauriert und wenn nicht, wie lange ist das alles schon im jetzigen Zustand? Grüße
Ja wir freuen uns auch, Angkor Wat einmal gesehen zu haben! Die ganze Anlage wurde erst ab 1860 so richtig von den Franzosen entdeckt und zischen 1908 und 1911 komplett von Erde und Vegetation befreit. Seit ein paar Jahren gibt es viele Restaurationsprojekte, vor allem durch ausländische Initiativen. Ein Tempel war zum Beispiel ein Deutsches Restaurationsprojekt! An dem Tomb Raider Tempel wurde ein Gebäude sogar komplett neu aufgebaut. Bestimmt spannend zu sehen, wie es da in zehn Jahren aussieht, also falls da mal jemand von euch hinfliegt, schickt mal ein paar Bilder 😉