

Goa geizt nicht mit Schönheit. Auch nicht mit Sonne, Strand und gutem Kaffee. Die Deutschen konnten ein sehr schönes Appartement mit Pool vor dem Haus und die Unabhängigkeit mit einem Roller genießen. Die Supermärkte um die Ecke lieferten verschiedene regionale Köstlichkeiten, aber auch heimische Köstlichkeiten wie Nudeln, Heinz-Ketchup, Joghurt und Käse, Schokolade, Kit Kat, Mars, Nutella, Desserts und Eis. Mit der neu erworbenen Pfanne bereiteten sie sich mit größter Leidenschaft Omelette, Bohnen mit Frankfurter Würstchen, die nach Zimt schmeckten, Reis mit einer Gemüsepfanne und halb gebackene Parotta (eine weitere Art von ungesäuertem Fladenbrot) zu. Beim Obst- und Gemüsemann erhielten sie erstaunlicherweise ohne Verhandlungsspielraum dafür die frischen Zutaten und verzichteten wohlwollend auf fettige und frittierte Speisen.
Sie zogen ihre Bahnen im Pool, hielten nach dem Meer Ausschau und entdeckten mehr oder weniger verlassene Sandstrände in vielen kleinen Ferienorten. Durch die erhöhte Masse an Touristen konnten sie sich erstmals problemlos in Badehose und Bikini zeigen, was in Indien natürlich nicht selbstverständlich ist. Am Strand trafen sie einen interessanten deutschen Mann im mittleren Alter, der gefühlt die Hälfte seines Lebens in Indien verbracht hat. Es war also nicht überraschend, dass er so einige Tipps und Ratschläge parat hatte. Zu Indien meinte er sehr treffend, dass dies das Land der Bettler, Diebe und Geschichtenerzähler sei und sprach dem Pärchen damit buchstäblich aus der Seele. Von ihm bekamen sie zudem den Hinweis für ein kleines Café, das überragenden Kaffee, Smoothies, Gebäck und Kuchen anbietet. Dankbar folgten sie am darauffolgenden Tag dieser Idee, bestellten bei dem netten Amerikaner Latte, Flat White mit einem Cookie und einen warmen Fudge Brownie. Sie konnten ihre glücklichen Zungen kaum in Zaum halten. Dermaßen verwöhnt begaben sie sich träge zum Strand für den obligatorischen Sonnenuntergang.
An drei Tagen nutzten sie einen „Honda Activa“ für umgerechnet 3,30 Euro pro Tag. Benzin lag bei 0,85 Euro pro Liter, was das gesamte Vorhaben erträglich preiswert gestaltete. Dermaßen mobil versorgt, waren sie der Freiheit ein gutes Stück näher gekommen. Einfach von einem beliebigen Ort zu einem anderen zu fahren, ohne auf bestimmte, meist sinnlose Regelungen angewiesen zu sein, behagte den hier auch als Urlaubern zu deklarierenden Weltenbummlern enorm. Umwerfend eindrucksvoll war der „Cola Beach“ mit seinen am Berg installierten Übernachtungshütten. Die Kulisse hätte problemlos einem Hollywoodfilm dienen können. Auch der „Agonda-Beach“ und der Strand von Palolem überzeugte mit weissem Sand, den grünen Palmen und dem unermüdlich tosenden Meer. Auch der weibliche Part versuchte sein Glück auf dem Roller und fand, wie erwartet, großen Gefallen daran. Die Landschaft mit den unbeschreiblichen Grüntönen, der sagenhaften Weite und den tollen Ausblicken auf das Meer prägte sich unaufhaltsam in die Erinnerung ein.
Den einzigen Dämpfer der rollenden Freude erzeugten teils korrupte Polizisten, von denen sie des Öfteren genauer unter die Lupe genommen wurden. Mit der Inspektion mussten sie an den größeren Straßen rechnen, denn was auf den kleinen Straßen passiert, ist allgemein ungefähr so uninteressant, wie die Anzahl der Haare am Po eines Elefanten. Auf den kleinen Straßen sahen sie Roller, die mit bis zu fünf Personen bestückt waren, Kinder als Piloten der Gefährte oder Geisterfahrer auf der falschen Straßenseite. Irgendwelche Verkehrsvergehen finden sich allerdings beim reichen weissen Mann am Kontrollpunkt immer. So war es nicht erstaunlich, dass sie immer wieder angehalten wurden und zahlen mussten. Für den fehlenden Helm des Fahrers gab es ein einigermaßen passables Strafgeld. Von dieser Regel wurden sie zuvor nicht in Kenntnis gesetzt, ganz im Gegensatz zu den einheimischen Fahrern, die sich gegenseitig kurz vor der Kontrolle Zeichen gaben und den Helm für das kurze Stück zügig auf dem Kopf platzierten. Das Argument, dass der Beifahrer bei einem Unfall wohl sterben würde, wohingegen der Fahrer überlebt, hatten die Beamten wohl zum ersten Mal gehört und kopfschüttelnd gelächelt. So will es eben das Gesetz. Bezüglich des Helmes wurden Deborah und Sven noch zwei bis dreimal gestoppt, hatten dann aber die Quittung der vorherigen Zahlung schnell parat.
Beim zweiten längeren Halt, der unglücklicherweise zwei Stunden vor Abgabe des Rollers stattfinden musste, war das Problem schon größer. Bis heute wissen sie nicht, ob man ihnen gehörige Märchengeschichten erzählte oder dieses Gesetzt tatsächlich besteht. Nach dem Winken zur Straßenseite und der Führerscheinüberprüfung wollten die beiden Männer in Uniform an diesem Tag auch den Internationalen Führerschein einsehen. Denn am Helm des Fahrers konnten sie diesmal nicht herumnörgeln und somit kein Strafgeld kassieren. Bei der vorherigen Kontrolle war der Internationale Führerschein komplett irrelevant, jetzt aber durch sein Fehlen umso wichtiger. Dazu kam, dass sie diesen Roller als Touristen angeblich nicht fahren durften. Nur solche mit schwarzem Nummernschild sind für Touris zugelassen, wobei eben die mit einem weissen Schild den Einheimischen vorbehalten sind. Sich keiner Schuld bewusst, konterten sie, dass der Roller von einem Freund stamme. Dies hatte ihnen der Vermieter als einzige Aussage mit auf den Weg gegeben. Es folgte, wie sollte es anders sein, eine heftige Diskussion um die Richtlinien, den zu zahlenden Strafpreis oder gar die Beschlagnahmung des Zweirades. Da Deborah und Sven mit dem Activa schon noch nach Hause fahren wollten, handelten sie um anfänglich 2000 Rupie (das sind um die 26 Euro!), die über 950 zu 550 Rupie wurden. Zum Schluss gaben sie dem Polizisten einen 500er (circa 6,50 Euro) und wurden davongejagt, ehe seine Laune wieder umschlagen würde. Dieses Erlebnis war sicherlich sehr ärgerlich, dennoch kamen sie mit einem blauen Auge davon.
Eine Woche später, die Tempelstadt Hampi. Schon im Nachtbus fiel ihnen die große Zahl an jungen weissen Reisenden auf. Am Busstand des berühmten Dorfes angekommen, kamen die beiden nur sehr schwer aus der Tür zum Gepäck. Der Grund? Mindestens 25 einheimische Männer versperrten den Weg, mit ihren Stadtkarten wedelnd und gleichzeitig auf die Fremden einredend. Jeder pries seine unverwechselbare Rikschatour zum besten Preis an oder konnte mit Übernachtungszimmern oder Hampi-Tips dienen. Das beste Gegenmittel dafür ist stets kalte Ignoranz oder ein kurzes “maybe later“.
Der restliche Tag wurde bis zum Nachmittag verschlafen, dann wechselten sie noch mit der Fähre zur anderen Flussseite und sahen sich ein wenig um. Die folgenden zwei Tage nutzten sie für die Besichtigung der rund 500 Jahre alten Tempel. Auf einem riesigen Areal verteilen sich die alten Heiligtümer, von Affen, Kühen, Hunden und Elefanten bewacht, und können einfach durchwandert werden, wenn sie nicht so kolossal weit auseinanderliegen würden. Die prasselnde Sonne tut ihr übriges. Trotzdem können die beiden eine Seite des Flusses bereits als abgehakt betrachten, was bedeutet, dass die andere Seite für die nächsten Tage bleibt.
Einprägsam war die Wanderung auf den „Matanga Hügel“ mit einem kleinen Tempel auf der Spitze, wo sie ungefragt die Huldigung eines der unzähligen Hindu-Götter mitmachten. Dazu gehörten Räucherstäbchen, Kerzen, Blumen, heiliges Wasser, Zucker und der rote Punkt an der Stirn. Ganz nach ihrer christlichen Überzeugung wurde Letzterer anschließend pflichtbewusst und mit einem Schmunzeln wieder entfernt. Das Diwali-Fest, welches als hinduistisches Weihnachten bezeichnet werden kann und durch Lichter, Feuerwerkskörper und bunte Farben zu erkennen ist, bringt viele indische Pilger in das Dörfchen Hampi. Umso verstörender war die schrille Trillerpfeife zum atmosphärischen Sonnenuntergang, die durch die gepresste Atemluft des Sicherheitsmannes um Punkt 18:00 Uhr ertönte. Viele Gruppen schauten sich gegenseitig verwundert an und mussten über diesen strengen Abbruch des Tages lachen. Es war einfach Schließzeit, obwohl das Areal an sich nicht verschlossen war. Brav verließen trotzdem alle Schaulustigen den Sunset-Point und machten sich hungrig über die Restaurants in den Gassen her. Hier traf das Pärchen den Kölner Tamon vom Frühstück wieder. Im „Mangobaum“ wurden also leckere Speisen bestellt und Erfahrungen ausgetauscht.
Zurück in der Bambushütte ohne Waschbecken und Spiegel krochen sie schnell unter das Moskitonetz und machten sich einen groben Plan für die nächsten Tage. Es gibt noch so einiges zu entdecken!
6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hallo ihr Zwei,
sehr interessant wieder euer neuer Bericht.
Nicht das mir meine blonde Schwiegertochter abhanden kommt bei den Massenansammlungen von Männern! 😉
Ist das alles Chili auf dem Bild? Wird er so getrocknet.
Viel Glück auf euer Entdeckungsreise der nächsten Tage. LG Vati
Hallo Schwiegerpaps,
danke! Ich pass auf mich auf, senke züchtig den Blick und zur Not hab ich Sven bei mir 🙂
Ja, das ist alles Chilli, der auf der warmen Straße trocknet, die Autos rasen dort vorbei.
Euch ebenfalls viel Kraft für die kürzer werdenden Tage.
Ganz liebe Grüße!
Hallo,
so groß war die motorisierte Freiheit dann scheinbar doch nicht… Ich kann mir schon vorstellen, dass Europäer gezielt angehalten werden und man dann nach allen möglichen Vergehen sucht. Aber schon interessant, was ihr alles in der kurzen Zeit erlebt und wie viel Verhandlungsspielraum immer vorhanden ist (2000->500)!
Viele Grüße
(An Sven: Goa war tatsächlich einmal Hollywood-Drehort; für eine Szene der Bourne-Trilogie.)
Hey Schwager, ja Verhandlungsspielraum ist sehr viel vorhanden, aber es bedarf größter Hartnäckigkeit und Durchsetzungsvermögen, um diesen auch in Anspruch zu nehmen 😉 Die Bourne-Szene haben wir uns gleich mal angeschaut, genau so sah das auch aus, wo wir mit unserem Roller durch Palolem gedüst sind! 😀
Das Verhandeln ist scheinbar wie Kindererziehung, jeden Tag muss man sich mit dem gleichen Mist rumschlagen! Aber das wusstet ihr ja zum Glück schon vorher, sonst wäre das Budget vielleicht schon (fast) alle. Von Afrika hattet ihr das Gleiche erzählt, wenn ich mich richtig erinnere… . Cool, dass ihr das Goa aus dem Film direkt wiedererkannt habt. Viele Grüße
Das stimmt, obwohl wir in Delhi zuletzt bei einem Keksverkäufer, der superleckere warme Kekse hatte, unseren gut gehandelten Festpreis hatten. Wir sind immer zum gleichen Verkäufer gegangen, irgendwann wusste er schon, welche Menge und welcher Preis und hat sich immer gefreut, uns zu sehen 👍😊