

Zwei Tagesetappen später
Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön, denn da kann man fremde Länder und noch manches andre sehn. Holahi…holaho, hola hia hia hia holaho…
Na, schon einen Ohrwurm? Das war natürlich nicht die Absicht. Die Seefahrt war lediglich das Motto für den Dienstag der vergangenen Woche.
Von Cát Bà aus machten sich Deborah und Sven mit einer Touristengruppe auf den Weg, um die Halongbucht zu erkunden. Mit gemischten Gefühlen standen sie pünktlich um acht Uhr am Büro des Tourunternehmens bereit. Gebuchte Touren sind eigentlich nicht ihr Fall. Die beiden entdecken die Gegend lieber auf eigene Faust. Aber manchmal lässt sich eine Tour nicht umgehen, zum Beispiel wenn man kein eigenes Boot besitzt. Zwar haben sie mittlerweile die beiden Roller, aber zur Jacht hat es leider noch nicht gereicht. Eine düster dreinguckende Familie gehörte anscheinend auch zur Gruppe, dazu noch ein junges Gespann aus Schweden mit der gezückten GoPro in der Hand und ein fröhliches Pärchen aus Belgien. Dank der Nebensaison war das Grüppchen schon vollständig. Oder dank der fünf Dollar, die sie mehr investiert hatten. Dafür wurde ihnen eine kleinere Gruppe und eine unüblichere und schönere Route offeriert. Das erste Versprechen hielt die Firma schonmal. Unterwegs sollten sie noch viel vollere Boote mit lauter Partymusik sehen, die nur die ausgefahrenen Seewege passierten. In dieser Hinsicht freuten sich die beiden Deutschen über ihre Entscheidung, ein bisschen mehr Geld in die Hand genommen zu haben und diesen Anbieter unter den vielen Firmen gefunden zu haben. Dann ging es mit einem Kleinbus zum Hafen auf der anderen Seite der Insel. Dort legten sie nach kurzem Hin und Her ab. Das Boot bahnte sich seinen Weg durch die „Floating Villages“, also die schwimmenden Dörfer, in denen noch wenige tausend Einheimische wohnen und mit der Fischzucht ihr Geld verdienen. In kleinen Hütten auf Holzfloßen sind sie Zuhause, die von Fischbecken umgeben sind und meist von Hunden bewacht werden.
Das Boot brachte sie weiter an zahllosen Kalksteinfelsen unterschiedlichster Aufmachung vorbei. Seltsame Höhlen und Einkerbungen zierten die wie eingesetzt wirkenden Geschosse, durch Wasserbewegungen verformt und bearbeitet. Ab und zu zeigte der Guide auf einen von den Felsen und nannte den Namen, den ihm irgendjemand mal verliehen hatte. Mal mehr, mal weniger passende Bezeichnungen wie „Walfelsen,“, der „Löwe“, das „einzelne Essstäbchen“, „Finger“ und „Big Ben“ bekamen die Reiselustigen zu hören. So ging es für ein paar Stunden durch schönstes Wasser und herrliche Buchten. Den ersten Halt machte die Gruppe in einer Bucht, um mit Kajaks die Felsen und Höhlen näher zu sehen. Das Boot ankerte, die Paddelwütigen zogen sich um und beglückwünschten sich gegenseitig zum schönen Sonnenschein. Leider fiel niemand ins Wasser, das wäre lustig gewesen. Ein Kajak nach dem anderen durchfuhr die Höhle zur nächsten Bucht. Der Guide ahmte Affengeräusche nach und sie warteten ein Weilchen. Tatsächlich hatten sie großes Glück und bekamen die seltenen Goldkopflanguren zu sehen. Die gibt es nur auf Cát Bà und sie halten mit der derzeit am stärksten bedrohten Primatenart der Welt einen traurigen Rekord. Umso mehr wurden sie bestaunt, gefilmt und für ihr güldenes Köpfchen gelobt. Zurück auf dem Schiff gab es dann das Mittagessen und eine kurze Entspannungsphase. Für gute Stimmung sollte danach ein Pantomimenspiel sorgen. Wer hätte es geahnt, die Familie mit der schlechten Laune spielte nicht mit, aber zumindest konnten sich die vier ein Lachen nicht verkneifen. An einer anderen Stelle bestiegen alle erneut die Kajaks, durchruderten weitere Höhlen und ruhten sich eine Weile an einem Strand aus. Die Sonne neigte sich schon langsam dem Horizont entgegen. Das Boot befand sich auf dem Heimweg, Deborah und Sven saßen ganz vorn an der Reling und freuten sich über manch hohe Welle. Zurück an Land und im Ortskern verabschiedeten sich alle voneinander und die Belgier zogen mit unseren Deutschen in das nächstbeste Lokal, um noch etwas zu quatschen und das Asia-Fussball-Halbfinale zu schauen. Vietnam spielte gegen Qatar. Die Stimmung brodelte. Alle freuten sich wie Kinder auch über die kleinsten Erfolge ihrer Mannschaft und jubelten das Lokal zusammen. Die vier Ausländer freuten sich mit und tauschten sich über Reisegesschichten und die Heimat aus. Vietnam gewann das Spiel und die Leute zogen mit Fahnen und Musik durch die Straßen. Dann wechselten sie in ein anderes Restaurant zum Abendbrot und verbrachten ein paar gemeinsame Minuten auf den beiden Rollern, um die Belgier nach Hause zu bringen. Ein erlebnisreicher Tag ging zu Ende und die anfangs gehegten Zweifel waren sicherlich unbegründet.
Am nächsten Tag entschied sich unser Pärchen für einen Ausflug zum Schmetterlingstal. Sie nahmen das Zweirad mit dem kaputten Auspuff und fuhren erstmal eine halbe Stunde über die schöne Insel. Im Tal konnte man ein paar Schmetterlinge, aber vor allem Kühe sehen und die Stille genießen. Auf dem Rückweg passierte es dann. Sven saß hinten und beobachtete bei jedem Huckel die Bewegungen des Auspuffs. Dann ein lautes Krachen. Das Teil hatte sich einfach gelöst und wurde durch die lose Fixierung hinterher geschliffen. Schnell bremste Deborah ab. Sie stiegen vom Roller, schauten sich das Desaster an und verfielen in einen Lachkrampf. Zwei Einheimische hielten an und fanden die Touristen mit dem Auspuff neben dem Roller vor. Hilfsbereit fischten sie eine Plane aus dem Gestrüpp und wickelten das noch heiße Teil ein. Es wurde mit Gurten auf die Gepäckablage geschnürt. Sie mussten wieder aufsitzen und mit ohrenbetäubendem Geknatter den Rückweg in die Stadt antreten. Sie konnten es kaum fassen, sie fuhren doch echt ohne Auspuff! Aber was hatten sie für eine Wahl? Auf dem Weg hielten sie an der Tankstelle, weil sie schon wieder auf Sparflamme unterwegs waren, um zu testen, wie weit das Gefährt sie tragen würde. Die Frau an der Zapfsäule schaute sie fragend an. Sie sagten nur „full“ und die Dame begann zu tanken. Am Ende gab die Anzeige 100.000 Dong bekannt. Dass zuvor ein anderer Kunde 30.000 Dong zahlen musste und die Anzeige seitdem nicht mehr genullt worden war, war ihr nicht aufgefallen. Verdutzt schaute die Vietnamesin drein, als sie nur 70.000 Dong erhielt. Ständig müssen die Reisenden darauf achten, nicht über`s Ohr gehauen zu werden.
In Cát Bà zurück suchten sie nach einer Werkstatt, was gar nicht so einfach war. Überall da, wo viele Roller davor standen, konnte eine Werkstatt sein. Doch es standen vor jedem kleinen Laden mehr Roller als Platz war. Langsam doch lautstark schlichen sie die Straße entlang und spähten in die Geschäfte. Am ersten Schrauberladen schaute eine Mutti heraus, sagte mehrmals nein und schüttelte abwehrend die Hände. Dann war sie wieder weg. Der zweite Mechaniker beachtete die beiden kaum und wollte unverschämt viel Geld für den neuen Krümmer und die Fixierung des Auspuffs haben. Beim dritten Verschlag mit Werkzeugchaos hatten sie bessere Karten und wurden freundlich behandelt. Der Mann kam ihnen auch mit dem Preis etwas entgegen. Sie ließen den Roller dort und holten ihn am Abend mit neuem Krümmer und leisem Charakter wieder ab. Tags darauf trafen sie ihren Mechaniker schon wieder, denn der andere Roller verlor die Luft. Ein Nagel hatte sich im Gummi verfangen. Das Problem war mit einem Flickset schnell gelöst und dazu noch recht kostengünstig.
Am Tag vor der Weiterreise liefen Deborah und Sven nochmal am Strand entlang, gönnten sich einen typisch vietnamesischen Kaffee mit süsser Kondensmilch und beschauten sich die Bucht intensiv. Auf dem Markt erstanden sie etwas Obst, das direkt neben den Fröschen und Welpen angeboten wurde. Na hoffentlich waren letztere nicht zum Essen, sondern als Haustiere gedacht. Sicher sein konnte man sich da nicht.
Am nächsten Morgen packten sie die Rucksäcke auf die motorisierten Flitzer und fanden sich sieben Stunden später – nach der Fähre, kilometerlangem Highway und etwas Landstraße – in Ninh Binh wieder. Zwei Nächte verbrachten sie in einem schönen Zimmer am Garten und am See. Den Tag dazwischen nutzten sie, um die Umgebung anzuschauen. Die Landschaft hatte eine gewisse Ähnlichkeit zur Halongbucht, nur war hier weniger Wasser. Neben den Kalksteinfelsen waren Reisfelder und Kanäle prägende Merkmale der Region. Sonst gab es nicht sehr viel zu sehen. Das Pärchen nutzte die restliche Zeit für einen Anstandsbesuch beim nächsten Motorradladen. Eine Stunde lang versuchten sie dem jungen Schrauber die Notwendigkeit eines neuen Stoßdämpfers für Sven`s Karosse zu erklären. Der verstand nicht ein Wort Englisch. Zu Hilfe kam der Google-Übersetzer und ein Freund am Telefon, der sich mit ihnen unterhalten konnte, aber keine Ahnung von der Technik hatte. Dadurch wurde auch das Feilschen schwierig, aber der Preis war in Ordnung. Sie bestellten einen neuen Stoßdämpfer und ein Rücklicht und holten das Fahrzeug am Abend in bestem Zustand wieder ab. Endlich alles gut? Nein! Inzwischen hatte Deborah`s Roller einen Nagel im Reifen. Der junge Mann hatte sich schon schick gemacht und konnte ihnen dabei nicht mehr helfen. Für die nächste Tagesetappe brauchten sie aber noch diese kleine Reparatur. Erleichtert nahmen sie zur Kenntnis, dass ein anderer Mechaniker noch offen hatte. Der Preis wurde gedrückt, dann durfte er anfangen und war nach drei Minuten fertig. Endlich war wieder alles in Ordnung an ihren fahrbaren Rennmaschinen.
Der folgende Morgen bescherte neben einem kleinen Frühstück leider jede Menge Regentropfen. Der Himmel war grau wie das Fell eines Wasserbüffels und die Motivation für die lange Fahrt dementsprechend schwindend gering. Doch eine weitere Nacht wollten sie in diesem Ort nicht verbringen. Schweren Herzens hatten sich die beiden zum Packen und Aufschnüren überwunden und fuhren, unter bunten billigen Regencapes versteckt, vom Hof. Drei Stunden lang begleitete der Regen die Fahrenden, wobei Schlamm und schlechte Straßen ab und zu rutschende Reifen verursachten. Die Busse überholten auf der gegenüberliegenden Spur so ausladend, dass sie zweimal stark abbremsen mussten, um nicht umgefahren zu werden. Über größtenteils gut ausgebaute Landstraßen gelangten sie innerhalb von fünf Stunden und nach einer nebelschweren Bergüberquerung nach Mai Chau. Der Ort eignet sich gut für einen Zwischenstop. Reisfelder dominieren das Landschaftsbild und Touristen übernachten hier gern in den hoch gebauten Stelzenhäusern. Bei der Ankunft schauten sich Deborah und Sven eines dieser Häuser an. Man kann dort mit den Familien des Hauses gemeinsam auf einer Bambusmatte oder Matratze übernachten. Nach der anstrengenden und sehr nassen Fahrt war ihnen aber eher nach etwas mehr Gemütlichkeit zumute. Auf der Karte schauten sie also fix nach weiteren Unterkünften und fuhren in diese Richtung. An der Ecke entdeckten sie ein schönes Hotel, fragten nach den Preisen und den Zimmern und wurden vom Angebot mit Abendessen und Frühstück überzeugt. Dass sie auch hier einen kleinen Rabatt bekamen, sollten sie nicht an andere Gäste weitererzählen. Das schien in diesem Haus nicht gerade üblich zu sein. Freudig bezogen sie den schönen Raum, ließen die warme Dusche arbeiten und setzten sich zum Abendessen an den reich gedeckten Tisch. Am Nebentisch saßen zwei geknickte Vietnamesen. Ihr Land hatte das Fussballfinale verloren. Das Frühstück war heute genauso toll angerichtet und lecker wie die Speisen gestern Abend. Sie ließen sich Zeit und machten einen ausgedehnten Sonntagsspaziergang durch die Reisfelder des Ortes. Frauen, Männer und ältere Menschen stampften durch die matschigen Felder, gruben den Schlamm um oder entfernten lästige Wachstumsstörer. In unterschiedlichen Stadien zeichneten sich größere und kleinere Reispflanzen ab. Dazwischen Stelzenhäuser, Hühner, Enten, Hunde, Büffel, Bananenstauden und Motorroller. Umgeben von hohen Bergen unter dem graubedeckten Himmel wirkten die vielen Salat- und Kohlköpfe gleich doppelt so grün. Natur pur, Zeit zum Entspannen und gute Bewirtung. Ein Traum!
6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Oh man, ich wünsche euch eine pannenfreie Weiterfahrt. Das mit dem Tankbetrug haben wir auf Bali auch erlebt. Liebe Grüße
Liebe Debbi,
Graue und windige Grüße aus Leipzig.
Ich habe mit Freuden jeden Euer Beiträge gelesen.
Man fühlt sich gleich so,als wäre man mit auf großer Weltreise
Das Erlebnis zu lesen was ihr erlebt, hat mir schöne Träume beschert und ich bin heute auf Arbeit gegangen mit einem urlaubsfeeling.
Ich wünsche euch noch eine tolle Weiterreise und ich freue mich auf weitere Berichte.
Herzlichst Christiane
Liebe Chrissi,
sehr schön, dass du dich meldest und mitliest!
Ich wünsch dir auch viel Kraft für die Arbeit, Träumen ist erlaubt! 🙂
Bis bald, die Debbi
Herrliche Landschaft. Von einer Halong-Bucht hatte ich bis vor kurzem noch nie gehört, umso überraschter war ich, dass ihr dort wart, da ein Kollege vor einem Monat aus Vietnam (drei Monate Aufenthalt) zurückkam und ähnliche Bilder zeigte. Und die Kleene schon wieder auf dem Moped… herrlich!
Das ist ja n Ding, witzig dass er auch gerade dort war!
Halongbucht ist schon sehr schön, wir hatten bei unserer Bootstour zum Glück Sonne. Sonst wäre es zu dieser Jahreszeit ziemlich kalt geworden.
Roller ist immer cool, hatten die letzten Tage mega kaltes Wetter, das war übelst anstrengend. Mit Moped in Deutschland nicht zu vergleichen, hat schon einiges an Power 🙂
Das schlechte Wetter tut mir so leid für euch. Wir haben unsere drei Wochen Vietnam damals etwa zur gleichen Zeit bei strahlendem Sonnenschein genossen. Bringt euch nix, ich weiß. 😉