

Überfüllt und doch gechillt
Gedrängel, Gewimmel, Hitze, Diskussionen, Gestank, Gehupe, Lautstärke, Essensduft, Autos, Roller, Räder, Ampeln, Busse, Züge, LKW, Karren, Rikschas, Schiffe, Boote, Hunde, Katzen, Tauben, Ratten, Kühe, Ziegen und Menschen, Menschen, Menschen. Die Kette ist endlos lang. Das hört sich nach Großstadt an, wobei manche Tiere nicht unbedingt in das typische Großstadt-Bild passen? In Indien sind sie allerdings fester Bestandteil davon. Unser Pärchen ist in Mumbai. Eine Stadt, die zu den zehn bevölkerungsreichsten Städten der Welt zählt und beispielsweise New York, Rio de Janeiro, Buenos Aires, Istanbul, Moskau oder Peking deutlich abhängt.
Aber zunächst einmal zu den letzten Tagen in Hampi. Dort wechselten sie zuletzt die Unterkunft und zogen für weitere drei Nächte an die andere Flussseite. Hier waren nicht mehr sehr viele Tempel zu besichtigen. Also verbrachten die beiden vormittags ihre Zeit am Laptop und nachmittags auf dem ausgeliehenen Roller, diesmal erfreulicherweise ohne Polizeikontrollen weit und breit. Für die Abende suchten sie sich stets ein lauschiges Plätzchen für die untergehende Sonne. Einmal entdeckten sie einen kleinen Tempel auf der Karte, parkten am Felsrand und kletterten hinauf. Sie wurden direkt von einem Mann in Beschlag genommen, der ihnen ein paar Infos zu dem Tempel geben konnte. Dann forderte er sie auf, die aus Respekt zunächst abgelegten Schuhe wieder anzuziehen, denn es würde steinig werden. Gehorsam folgten sie seinem Rat und erklommen hinter ihm weitere Felsen und Gesteinsbrocken. Natürlich wussten sie nicht genau, was er vorhatte und wo er mit ihnen hinwollte.
Im Hinterkopf hatten die beiden schon die etwaige Bezahlung dieses Mannes, die sicherlich noch zu Diskussionen führen würde. Doch mit keinem Wort wurde eine eventuelle Bezahlung zu Beginn erwähnt. Der Guide lief so schnell, dass man darüber auch gar nicht sprechen konnte. Schließlich kamen sie an einem sehr schönen Ausblick an und wurden in die Huldigung der Kobra eingewiesen. Das „Kobra-House“ wird Tag und Nacht von einem Geistlichen über Jahre hinweg bewacht und die Schlange, die sich angeblich an jedem Abend zeigt, wird mit Milch gefüttert und verehrt. Auf dem Rückweg hielten sie automatisch nach Anzeichen von Schlangen in der Umgebung Ausschau. Durch eine Höhle gelangten die drei zu einer weiteren Anbetungsstätte und bekamen auch hier ein paar Auskünfte und Hinweise zu der geschmückten Gottheit.
Die Tour war damit beendet und der Guide schaute sie erwartungsvoll an, sagte aber immer noch kein Wort von einer Zahlung. Sven steckte ihm dann einfach ein paar kleine Scheine mit einem kurzen Dank entgegen. Der Mann schaute sich das Geld genau an und schüttelte sofort mit dem Kopf. Er hatte laut seiner Aussage “big money“, also mindestens das Fünffache, erwartet. Sehr verärgert über diese Art des Umgangs mit Touristen, der Nichtankündigung des Preises und der aggressiven Forderung nach mehr, schnappte sich Sven die kleinen Scheine aus der Hand des Mannes und lief einfach davon. Nach ein paar Metern Entfernung schrie dieser unseren Touristen auch schon hinterher und erbettelte sich zumindest den kleinen Betrag. Mit einem schlechten Gefühl verließen sie den Ort und mokierten sich noch lange über so viel Dreistigkeit.
Am selbigen Abend stiegen sie mit Massen an einheimischen und ausländischen Besuchern noch die unzähligen Stufen des Berges zum Affentempel empor und machten es sich auf einem Stein so gut es ging bequem. Die Sonne zeigte sich in voller Pracht bei ihrem kraftvollen Untergang.
Der Roller erkundete mit ihnen in der Umgebung von Hampi außerdem ein paar kleine Wasserfälle, einen sehr schönen Stausee mit badenden Indern, obwohl vor Krokodilen gewarnt wurde, einen Stausee mit grünem Wasser und einen botanischen Garten. An einem Bahnübergang erlebten sie das schönste Chaos mit vielen ungeduldigen Einheimischen, die keine Lust hatten, zehn Minuten auf den Zug zu warten. So wurden kleine Karren und vor allem Motorräder und Roller unter den Schranken hindurchgezwängt (keine Rücksicht auf Lackkratzer und Rückspiegel), um die rasante Weiterfahrt zu ermöglichen. Zwei eingezwängte Männer, die sich gegenüber standen und aneinander vorbei wollten, konnten sich nicht einigen und ließen dann kurzerhand die Fäuste sprechen. Zum Glück legte sich der Streit schnell wieder.
Auch in Mumbai wurden sie Zeugen von schnellen Auseinandersetzungen, mit oder ohne Handgreiflichkeiten und meist durch Männer vor den raren Alkoholläden, die wohl jeglichen Verstand durch die verlockende Flüssigkeit verloren hatten. Ganz diplomatisch versuchten sie hingegen dem zu Beginn aufkommenden Unterkunftsproblem entgegen zu treten. Nach einer mal wieder sehr langen Busfahrt, diesmal mit Schlafkoje, kamen sie am Morgen in irgendeinem Stadtteil von Mumbai an. Sie schleppten sich und ihr Gepäck zur nächsten Zugstation und kämpften sich mit Umsteigen und Drängeln bis zur richtigen Haltestelle durch. Von dort liefen sie wieder ein gutes Stück zur gebuchten Unterkunft. Dermaßen geplättet wollten sie nur noch das Gepäck im Zimmer und die Körper im Bett verstauen. Doch so einfach ging das nicht. Denn das erste, was sie von dem älteren Mann an der Rezeption zu hören bekamen, war, dass alle Zimmer belegt sind. „Ok“, dachten sie, „kein Problem, wir haben ja gebucht“. Aber eine Buchung ist anscheinend bei der Unterkunft nicht eingegangen, obwohl sie dem Mann die Buchungsbestätigung zeigen konnten. Er meinte, dass sie von sich aus storniert hätten und bequemte sich nach mindestens zehn Minuten hin und her endlich dazu, das Telefon in die Hand zu nehmen und den Manager zu kontaktieren. Kein Ergebnis. Weitere Diskussionen, dass er ihnen doch helfen soll, ein anderes Zimmer zu finden. Keine Entschuldigungen, kein Entgegenkommen, keine Hilfe. Dafür immer mehr angestellte Zuschauer mit offenen Mündern. Einer von denen wurde dann dazu verdonnert, mit ihnen zu einer anderen Unterkunft zu gehen, um zu schauen, ob Zimmer frei sind. Also wieder das Gepäck gebuckelt und los. Natürlich waren hier die Zimmerpreise viel zu hoch. Dann wieder zurück. Sie ließen nicht locker und versuchten die indische Art der Diskussion bis auf`s Messer. Keine Antwort mehr. Der Rezeptionist änderte seine Strategie und ignorierte sie dann einfach. Unseren Deutschen blieb keine andere Wahl, als einfach zu verschwinden und sich eine andere Unterkunft zu suchen. Da kam der Tipp eines Hotelgastes für eine Bleibe in der Nähe gerade recht. Sie probierten ihr Glück in diesem Hotel. Eigentlich überstieg auch hier der Preis das Budget, was bedeutete, dass gefeilscht werden musste. Sie ließen sich noch ein zweites Zimmer zeigen, das freilich erschwinglicher war, aber durch berstenden Schimmelgestank bestach. Mit diesem Zimmer nahmen sie vorlieb und schliefen ein paar Stunden.
Der Nachmittag konnte mit der bisher einfachsten Zugticketbuchung den Tag wieder retten. In bestimmten Städten und an bestimmten Schaltern gibt es nämlich Tickets für Touristen. Es wurde ja schon öfter berichtet, dass die Züge eigentlich auf Monate vorher ausgebucht sind und zuvor nur Tickets über Wartelisten ergattert werden konnten. Aber hier in Mumbai hatten die Beamten auch endlich die Möglichkeit, Touristentickets zu verkaufen und rückten damit nach der gründlichen Passkontrolle bereitwillig heraus. Der Jubel über die gesicherte Weiterfahrt nach Delhi war groß.
Tags darauf lockten die hiesigen Märkte und Basare mit Obst, Gemüse, Trockenfrüchten, Nüssen, Gewürzen, Fisch und Fleisch und ebenso mit Stoffen in jeglicher Art und Farbe. Deborah und Sven ließen sich durch das Gewühle treiben und kosteten vorzüglich mundende getrocknete Pomelo. Außerdem bekam Sven noch einen neuen Bartschnitt und seine Sandalen eine ordentliche Behandlung am Straßenrand. Die Sohle hatte sich teilweise gelöst und wurde nun für umgerechnet einen Euro wieder angenäht. Am Abend schlenderten sie an der Promenade entlang, warteten bis die rote Sonne sich erneut verabschiedet hatte und entdeckten einen weiteren Stadtteil mit großem Angebot an Konsumartikeln, Supermärkten und frischen und wunderschön hergerichteten Obst- und Gemüseständen. Ein Mango Lassi und ein KitKat später fuhren sie mit dem Zug zurück und verschwanden in den Wirren eines Tatorts, bevor sie die Augen schlossen.
Die reichhaltigen Schokoladenangebote genossen sie am nächsten Tag zum Frühstück und waren mit zart schmelzenden Donuts und Schokoladenkuchen für die weitere Erkundung der Stadt aufgetankt. Das “Gateway of India“ und das Hotel “Taj Mahal Palace“ fanden sie am östlichen Ufer der ehemaligen Insel. Sie durchwanderten noch einige Straßen und landeten zum Schluss einmal mehr an der Westpromenade für das Abendritual. Zurück in den Betten musste das gute Internet im Hotel für Tatort Nummer zwei genutzt werden. Wer der Mörder ist, ist doch immer wieder eine spannende Frage.
Gestern lockte die Bahn mit ihren günstigen Preisen dazu, den anstrengenden und heißen Fussmärschen durch die Stadt zu entfliehen. Für umgerechnet 13 Cent fuhren beide in die Richtung der „Haji Ali Dargah“ Moschee, die durch eine schmale Landzunge mit dem Festland im Westen der Stadt verbunden ist. Unwirsch wurde Deborah dazu aufgefordert, ihren Kopf zu bedecken. Die Moschee, die eher als Ausflugsziel diente und heillos überlaufen war, war zügig durchschritten und vorbei an endlosen Männern mit Personenwaagen kamen sie wieder an der Hauptstraße an. Viele Inder haben keine Waage zu Hause oder interessieren sich nicht sonderlich für ihre Gewichtsveränderungen (ob positiv oder negativ). Deshalb sieht man ab und zu das Angebot, für ein bis zwei Rupie eine Personenwaage zu besteigen. Natürlich hat man auch dabei als ausländischer Tourist eine Menge Zuschauer ohne Rücksicht auf Privatsphäre.
Zuletzt gab es noch ein Gebäude zu sehen, das tatsächlich sehr perplex machen kann. Es handelt sich um das größte und teuerste Einfamilienhaus der Welt, genannt „Antilla“. Eine Milliarde US-Dollar investierte der reichste Mensch Indiens, Mukesh Ambani, für das im Jahr 2010 eingeweihte Prachtstück. 173 Meter und 27 Stockwerke bestechen mit Spielereien wie einem Heimtheater und Entertainment-Bereich, einem Freiluftgarten mit eigenem Tempel, drei Helikopterlandeplätzen, neun Aufzügen und Parkplätzen für insgesamt 168 Autos. Die fünfköpfige Familie lässt sich hier durch 600 Vollzeit-Angestellte die Wünsche von den Augen ablesen, wobei nicht mal ganz klar ist, ob sie überhaupt eingezogen ist. Sprachlos verließen unsere Backpacker den Ort wieder und machten einen Aussichtspunkt für Mumbai`s Skyline bei Nacht klar. Zurück durch den Park, über den Strand, durch die Stadt in das Schimmelzimmer. Leider nicht ganz so luxuriös, aber auf jeden Fall erlebnisreich.
Fehlt noch eine Sache: Warum ist Mumbai die Stadt der Sandwiches?
Da an jeder Ecke, fast auf jeder Straße und vor allem bei den großen Bürokomplexen superleckere und sehr günstige Sandwiches darauf warten, verspeist zu werden. Getoastet oder blank, mit Käse, vegetarisch, der Masala-Typ oder süss? Für jede Tageszeit und jeden Geschmack ist hier etwas dabei. Kolonialer Einfluss oder vielleicht doch typisch indisch? Egal, jedenfalls ein idealer Snack für Zwischendurch!
Ideal für Zwischendurch sind auch unsere neuen Projekte! Hast Du sie schon entdeckt? http://www.out-of-schublade.com/projekte
7 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hallo Ihr zwei Lieben!
Es ist so lustig zu lesen, wie oft Ihr verhandelt!
Aber Euch nervt es bestimmt manchmal ganz schön….
Liebe Grüße aus dem stürmischen, nasskalten Germany
Eure Mutsch
Hi Mutti,
mit dem Verhandeln das ist schon ok, macht ja auch Spaß 😉 Du kennst das ja! Ab und zu genießen wir dann die festen Preise im Supermarkt.
Schade, dass sich bei euch der goldene Herbst schon wieder verabschiedet hat.
Wir winken mit sonnigen, heissen Grüßen aus Delhi
Wir lümmeln schön gemütlich in unserer Stube, ohne diesen Entdeckungsstreß(kl . Scherz) .Im Gegensatz zu euch machen wir langsam winterfest!!
Schön dass ihr gesund und fröhlich seid!
Hallo Paps, bei euch startet jetzt die schöne Weihnachtszeit! Das werden wir vermissen. Macht es euch gemütlich, bei uns ist es Nachts auch kalt, sind heute in Agra angekommen und werden bald den Taj Mahal sehen 😁 Haben euch lieb! Gruß
Habe grad Jamila euren Text vorgelesen. Sie sagte dazu: “Warum müssen die immer 20 000 oder 30 000 Euro bezahlen?” Als ich ihr geantwortet habe: “Dann müssen die sagen, wir wollen nicht soviel bezahlen, ein andermal vielleicht, wenn wir wiederkommen, aber jetzt nicht. Tschüss!”
Hallo ihr zwei, heute wieder mal ein paar Grüße aus dem Erzgebirge. Wir verfolgen eure Abenteuer und Berichte immer mit Spannung. Bei uns sind die Tage jetzt sehr kalt und kurz. So langsam kommt bei uns Weihnachtsstimmung auf. Wir wünschen euch in den Bergen viele schöne Erlebnisse und das iht trotz der Kälte gesund bleibt. Glück Auf, Gunter und Corina
Oh ja, das Erzgebirge und Weihnachten 🎄 😁 Können uns lebhaft vorstellen, wie gemütlich ihr es jetzt habt! Danke für eure Meldung, wünschen euch schonmal eine schöne und besinnliche Adventszeit!