

Taj Mahal, Leichen und Nepal
30 Stunden Fahrtzeit mit Zug und Bus prägten die Eindrücke der letzten Woche. Zunächst verließen die drei die Hauptstadt, nachdem die Weiterfahrt geplant und das sehr günstige und ebenso gute Straßenessen ausgiebig getestet wurde. Mit drei Stunden Verspätung fuhr der Zug Richtung Agra in den Bahnhof von Delhi ein. Da eine App die Verspätung schon angezeigt hatte, sind sie gleich ein paar Stunden später zum Bahnhof gelaufen und haben die Zwischenzeit für ein ausgiebiges Frühstück genutzt. Am Bahnsteig fanden sie ihren Waggon und die Schlafpritschen sehr schnell, verstauten die insgesamt sechs sperrigen Gepäckstücke und machten es sich bequem. Dann hatten die Deutschen Zeit, die einheimischen Reiselustigen zu beobachten. Da wurde mal wieder laut gedrängelt und Stress gemacht. Raus aus dem Zug und wieder rein. Hallo und Tschüss. Viele Passagiere stellten ihre Berge von überfrachteten Taschen erst einmal auf einen freien Sitzplatz in irgendeinen Waggon. Teilweise kamen sie dann Stunden später zurück, um den Berg abzuholen. Dieser lag dann verschüttet unter anderer Gepäcklast, Beinen und Schuhen verborgen. Aber niemand störte sich an dem unsachgemäß verstauten Hindernis. Ein paar Stationen nach dem Start in Delhi kamen immer noch Passagiere durch den Gang und schauten sich nach allen Sitzplatznummern um. Anscheinend hatten sie den eigenen Platz, der auf dem Ticket ausgewiesen war, noch immer nicht gefunden. Ihre Strategie bestand nun darin, alle Sitzenden nach dem jeweiligen Ticket zu fragen, um zu sehen, ob sie denn den richtigen Platz eingenommen hatten. So gingen sie wahrscheinlich den beinah kilometerlangen Zug durch und fanden – vielleicht – irgendwann jemanden, der falsch saß. Das musste dann ihr Platz sein. Eine sehr merkwürdige und zeitaufwendige Strategie!
In Agra sind sie dann durch die Verspätung erst im Dunkeln angekommen. Ein paar Hotels und Gasthäuser haben sie sich im Vorfeld herausgesucht, um eine Anlaufstelle zu haben. Die vollgestopfte Rikscha fand ihr Ziel schnell und warf die Touristen ab. Das Zimmer war in Ordnung, der Preis ebenso. Trotzdem fragten sie nach Reduzierungen und schlugen noch 1,30 Euro heraus. Sie checkten mit ihren Pässen ein und suchten sich ein kleines Restaurant für das Abendessen.
Zwei Tage in Agra vergingen wie im Flug. Die Hauptattraktion hoben sich die drei für den zweiten Tag auf und begannen beim „Agra Fort“, einer rot angestrichenen Festung aus dem 16. Jahrhundert. Mit den 500 Rupie Eintrittspreis lagen ausländische Besucher beim 17fachen des Preises der Einheimischen. Beim Taj Mahal mit 1000 Rupie sogar beim 25fachen (Inder zahlen dort nur 40 Rupie). Mit einem Inder kamen sie über diesen diskriminierenden Unterschied kurz ins Gespräch und machten ihrem Ärger etwas Luft. Für ihn war das Argument, dass es solche Preisunterschiede für Ausländer in Deutschland nicht geben würde, unverständlich. Viele Inder sind der Ansicht, dass es ganz normal sei, dass Touristen ständig mehr zahlen. Ein weiteres Beispiel zeigte sich direkt am Ausgang des Forts. Mit hängenden Mägen und etwas enttäuschten Eindrücken ob der teils verwitterten Anlage, durchschritten sie das Ausgangstor und suchten nach etwas Essbarem. Ein paar Straßenhändler boten Teigtaschen und Burger an. Sie fragten nach dem Preis der Burger. 40 Rupie sollte einer kosten. Am Stand bissen auch gerade ein paar Inder genüsslich in das ungesunde Mittagessen. Die fragten sie ebenso nach dem Preis, den sie dafür gezahlt hatten. Da die Inder schon wussten, dass Touristen mehr zahlen, waren sie nicht gerade gesprächig. Unterdessen ging der Verkäufer schon von allein mit seinem Preis auf 30 Rupie herunter. Die kauenden Inder meinten, dass dieser Preis okay wäre. Also bestellten die Deutschen drei Burger und ließen es sich schmecken, nicht wissend, ob sie immer noch zu viel gezahlt hatten. Auch die nachfolgend georderte Rikscha argumentierte mit angeblich lokalen Preisen, die dermaßen überzogen waren, dass die Reisenden nur lachen konnten und einen anderen Fahrer fragten. So vermiesen sich manche Inder selbst ihr Geschäft mit den Touristen. Der fahrende Dreiräder brachte die drei zu einem Park gegenüber des Taj Mahal, an dem sie die abendliche Sonnenstimmung mit Bestaussicht aufnehmen wollten. Sie waren nicht die einzigen Besucher, die auf diese Idee gekommen waren. Viele weisse Menschen, mit Kameras ausgerüstet, strömten zum Eingang des Parks. Der Eintrittspreis war mit 200 Rupie recht hoch, was die Sachsen dazu veranlasste, einfach am Park vorbei geradeaus Richtung Fluss zu laufen. Ein indischer Mann rief ihnen entgegen, dass es angeblich verboten sei, hier entlang zu laufen. Das glaubten sie ihm nicht, wodurch er meinte, dass sie ruhig einen Polizisten danach fragen konnten. Sie ließen sich nicht beeindrucken und liefen einfach weiter. Am Aussichtspunkt angekommen, fanden sie auf der rechten Seite mehrere bewaffnete Polizisten vor, die freundlich schauten und später sogar einen Aussichtspunkt für bessere Sicht zeigten. Links war der Park. Die zahlenden Touristen standen dort hinter insgesamt drei Zäunen ungefähr 50 Meter von ihnen entfernt. Der Ausblick war genau der gleiche. Freudig über das gesparte Geld machten Jano, Sven und Deborah ihre Bilder, sahen in die rote Sonne und tranken kalte Cola. Ein schöner Tagesausklang.
Wie der eine Tag geendet hatte, begann auch der nächste, denn die ausgeschlafenen Freunde suchten sich für das Frühstück eine Dachterrasse mit bester Aussicht auf das weisse Monument. Dort ließen sie den wie schwebend wirkenden Prachtbau mit einer Tasse Tee in Ruhe auf sich wirken. Zur Mittagszeit stürmten sie die Gassen zum Südtor, drängelten sich frech in die ewig lange Warteschlange und ließen die halbherzige Sicherheitskontrolle über sich ergehen. Dann konnten die drei endlich hinein. Von weitem war das bekannte Weltwunder sehr schön anzusehen, hatte durch den allgegenwärtigen Dunst und die erhöhte Bauweise eine mystische Aura und spiegelte sich majestätisch im Wasser. Die Massen an indischen Touristen übertroffen mit Leichtigkeit die Anzahl der weissen Besucher, was sie so nicht erwartet hatten. Durch das teure Ticket hatten sie zumindest den Vorteil einer extra Warteschlange für das Innere des Taj Mahal und mussten somit nicht wie die anderen zweimal um das gesamte Gebäude herum anstehen. Die Erwartungen waren hoch. Jeder Reiseführer beschreibt den Taj Mahal als unvergleichlich schön, kunstvoll gearbeitet und prächtig elegant. Umso näher sie jedoch dem Bauwerk kamen, desto enttäuschter waren sie. Die Wände und Kuppeln waren nur mäßig verziert, das Innere mit den beiden Gräbern des Erbauers und seiner geliebten Frau, der der Prachtbau geweiht wurde, eher schlicht gehalten und düster. Auch die Gartenanlage konnte eine Generalüberholung vertragen. Schließlich war man ja am Taj Mahal! Aber nichtsdestotrotz war die Stimmung im Gelände sehr beeindruckend und schön. Bis zum Sonnenuntergang hielten sie sich hier auf.
Danach mussten sie wieder etwas Zeit tot schlagen, um die Verspätung von 4,5 Stunden des Zuges nach Varanasi zu überbrücken. Ein Restaurant mit gutem Essen und 30 Prozent Preisnachlass war da genau das Richtige. Dass sie am nächsten Tag erst um 18:30 Uhr ankommen würden, wussten sie zu dieser Zeit zum Glück noch nicht. Mit 17,5 Stunden Fahrtzeit und insgesamt 7,5 Stunden Verspätung zuckelte der Zug in Varanasi ein. Die Stadt im Osten von Agra ist für den heiligen Ganges und groteske Leichenverbrennungen bekannt. Einen Tag hatten sie Zeit, um den Ort zu erkunden und den Zeremonien beizuwohnen. Eine Pizzeria lockte mit Apfelkuchen, Cappuccino und Brötchen zum Frühstück. Danach liefen sie an den zahlreichen Badestellen den Fluss entlang. Sie hatten mit mehr Pilgern gerechnet und waren froh über die unerwartete Ruhe am erstaunlich sauberen Wasser. Auf einmal entdeckten sie mehrere Holzhaufen, Feuer und Tragen mit menschlichen Körpern. Sie hatten eine Verbrennungsstelle erreicht und wurden Zeugen von mehreren Leichenverbrennungen. Es wurde ein toter Gläubiger nach dem anderen ausschließlich von Männern zum Fluss getragen, um mit dem heiligen Wasser besprenkelt oder komplett untergetaucht zu werden. Dann wurden die Tücher bis auf das weisse Leichentuch entfernt. Der Tote wurde auf den Holzberg gebettet, mit Holz bedeckt und angezündet. Dadurch soll der hinduistische Kreislauf von Tot und Wiedergeburt durchbrochen werden und die Gläubigen können zur Ruhe finden. Diese offene und sehr befremdliche Art des Umgangs mit Verstorbenen wurde durch mehrere Faktoren getoppt. Zum einen waren die bei der Verbrennung Anwesenden nicht sehr festlich gekleidet und legten auch kein feierliches Benehmen an den Tag. Lautes Reden und auf den Boden spucken, direkt neben der Leiche ein Bad nehmen und überall Müll verteilen war ganz normal. Am schlimmsten waren aber die Hunde. Sie suchten im vor Asche stellenweise schwarzen Wasser nach fleischlichen Überbleibseln und wurden direkt fündig. Schamlos rissen sie am Fleisch. Angeekelt wendeten sich die Touristen ab und liefen eilig weiter. Begegnungen dieser Art waren nicht die Letzten des Tages. Da die Sonne schon bald untergehen würde, beeilten sich Jano, Sven und Deborah damit, ein Boot klarzumachen. Eine Stunde hatten sie Zeit, um vom Fluss aus Bilder zu schießen und die Abendstimmung zu genießen. Auch den größeren Verbrennungsort bekamen sie nochmal zu Gesicht. Eine unbeschreibliche und etwas verstörende Erfahrung.
Nach einem reichlichen Abendessen und einer kleinen Zeremonie mit vielen Zuschauern nahmen die drei den Bus über Nacht nach Nepal. Wieder acht Stunden sitzen, frieren, sich durchschütteln lassen. Morgens um sieben dann an der nepalesischen Grenze zunächst Tee trinken, dann Stempel abholen und Visa zahlen. Die ersten Meter in Nepal, 15 Minuten Zeitverschiebung und ein Toast und Omelett zum Frühstück. Sie mussten das Lächeln wieder lernen, denn nepalesische Leute sind freundlich. Das hatten sich die Deutschen in Indien etwas abgewöhnt. Mit einem Taxi fuhren sie in das nicht weit entfernte Lumbini. Der Ort ist bekannt für die Geburt Buddhas, die hier vor 2700 Jahren stattgefunden haben soll. Die Reisenden suchten eine Unterkunft und legten sich nach einer erlösenden Dusche erstmal in die Betten. Die restlichen Stunden des Tages verbrachten sie mit einer kleinen Ortsbesichtigung und dem Abendessen. Heute konnten sie nach einem späten Frühstück den Tempel entdecken, der der Geburt Buddhas geweiht ist. Dieser ist sehr schön in einem großflächigen Park gelegen und wird von vielen weiteren Tempeln begleitet, die von verschiedenen Ländern erbaut wurden. Auch ein deutscher Tempel ist darunter. Stundenlang schlenderten sie an den vielseitigen Bauten vorbei. Dann kam schon die Dämmerung und mit ihr erneut das Hungergefühl. Der Klassiker, ein Curry mit Reis und Chapati, füllte die Bäuche. Entspannt ließen sie den Abend ausklingen, denn morgen müssen sie früh aus dem Bett. Der Bus nach Pokhara startet um 6:30 Uhr. Dann mal Gute Nacht!
Liebe Familie, liebe Freunde und (Un-)Bekannte, wir wünschen Euch allen eine wunderschöne und besinnliche Adventszeit! Wir werden die deutschen Leckereien und Zeremonien vermissen und denken an Euch. Ab dem 11. Dezember erwartet uns der Strand, denn dann werden wir nach Bangkok fliegen. Darauf freuen wir uns sehr! Liebe Grüße aus Nepal
5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Wir lesen Eure Berichte sehr gern und freuen uns schon immer auf die nächsten.
Euer Mut, Neues zu erleben ist bewundernswert. Wir wünschen Euch eine schöne Weiterreise und noch viele neue Eindrücke in weiter Ferne.
Oma und Opa
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Schön von Euch zu hören. Wir sind auch immer gespannt, was uns als nächstes erwartet und was wir Euch berichten können! Euch eine schöne und besinnliche Adventszeit. Bis zum nächsten Beitrag 🙂
Hallo Ihr Beiden,
wollt euch bloß mitteilen das eure Postkarte gut und wie ich finde auch recht schnell angekommen ist:)
Das Postsystem scheint in Indien ja ganz in Ordnung zu sein xD
Viele Grüße René
Hey René, super Sache! Da freuen wir uns, ich hoffe der Reifenabdruck ist noch zu sehen 😉 ?
Klar cool Idee, obwohl ich erst dacht das sind die Abgase von eurem Gefährt xD