

Die Biker sind los. Das Ziel ist der Weg. Und der führt durch Laos.
Endlich haben es die beiden nach Laos geschafft. Zehn Stunden haben sie auf den Rollern verbracht und klagten am Abend im kalten Hotelzimmer nicht schlecht über die schmerzenden Rücken und Hinterteile. Es lag ein anstrengender Tag mit gruseligen Straßen und Sandwegen hinter ihnen. Als hätte das neu zu erkundende Land gewusst, dass momentan Trockenzeit herrschte, waren die Wege, Felder und Reisterassen ausgetrocknet und staubbedeckt. Und die Gegenden wie ausgestorben. Laos empfing Deborah und Sven mit einer kilometerlangen Staubstraße, auf der sie mit ihren kleinen Reifen bedrohlich umher jonglierten. Unterwegs sahen sie vereinzelte Holzhäuser, die sich als kleine Dörfer zusammengerottet hatten. Feuer brannten in den Häusern oder außerhalb auf den Höfen und kleine Hände haben ab und zu zur Ankunft (oder zum Abschied?) gewunken. Weite Landschaft mit Jungel-bedeckten Bergen und kurvigen Straßen verlangsamte das Vorankommen. Dann kam noch die Dunkelheit dazu. Gas geben hatte nicht viel Sinn, weil nach maximal 100 Metern freier Strecke Schotterpisten oder Schlaglöcher den abgenutzten Asphalt unterbrachen. So krochen sie in der Dunkelheit voran bis nach Vieng Xai, dem ersten Ort nach der Grenze, der Unterkünfte und Geldautomaten zu bieten hatte. Bei dem Visums- und Einreiseprocedere hatten sie ein amerikanisches Pärchen neben sich, die nicht genug Geld für zwei Visagenehmigungen dabei hatten. Also bezahlten diese zunächst ein Visum und der arme Kerl musste dann die wahnsinnige Strecke nach Viang Xai fahren, um Geld zu holen und anschließend zurück fahren, damit seine Frau auch einreisen konnte. Danach mussten die zwei Amerikaner natürlich nochmal nach Vieng Xai. Was für ein Drama!
Die Roller taten ihnen genauso leid. Zwar hatten die Deutschen das Hinterrad erneuern lassen und auch den Auspuff erneut fixieren lassen, doch auf solchen Straßen waren die Teile doch etwas überfordert. Nach asiatischem Vorbild legten sie dennoch jede erdenkliche Strecke mit den beiden Zweirädern zurück und sind dabei immer wieder gespannt, wie lange es bis zur nächsten Reparatur dauern wird. In Vieng Xai brauchten sie ausnahmsweise keinen Schrauberservice. Dort machten sie nur erste Erfahrungen mit der laotischen Sprache und dem Essen. Auf dem lokalen Markt wurden neben geläufigem Obst und Gemüse auch Fische und Fleisch angeboten. Es gab Ratten, Vögel, Freddchen und Eichhörnchen am Stück.
Vieng Xai ist vor allem für die Höhlen in den Kalksteinbergen bekannt, die während des Vietnamkrieges als Unterschlupf dienten. Unglaubliche zwei Tonnen tödliche Bomben wurden pro Einwohner von amerikanischen Flugzeugen zwischen 1964 und 1973 abgeworfen, um den Ho-Chi-Minh-Pfad, die Versorgung der Vietcong in Vietnam, zu zerstören. Dabei galt Laos zur Zeit des Krieges als neutrales Land. Heute noch stirbt durchschnittlich ein Mensch pro Tag in Laos an einem dieser menschenverachtenden Geschosse, die sich noch in der Erde – auf Wegen, Feldern, in Flüssen, auf dem Schulgelände oder unter der heimischen Feuerstelle – befinden. Das am stärksten bombardierte Land der Welt (im Verhältnis zur Anzahl der Einwohner) hat mit rund 80 Millionen Blindgängern zu kämpfen. Zur Beseitigung dieser gaben die USA zwischen 1993 und 2016 jährlich 4,9 Millionen Dollar aus, zur Bombardierung des Landes damals jedoch 13,3 Millionen Dollar täglich!
Überall im Land sind Bombenüberreste zu entdecken. Als Pfeiler für den Hausbau, als schmückende Blumenvase oder als hippes Motto für ein Restaurant. Auch bei Phonsavan, auf der Ebene der berühmten „Tonkrüge“, konnten die beiden Reisenden einige Bombenkrater begutachten. Überraschend unversehrt liegen dort wie Tonkrüge aussehende Gesteinsbrocken in der Landschaft herum. Das Mysteriöse an dem Ort ist allerdings der Ursprung der geformten Sandsteine. Niemand weiß, woher und von wem sie kommen, geschweige denn, wie sie an diesen Platz gelangt sind. Es wird vermutet, dass die tausenden Gefäße einem 2000 Jahre alten Volk als Begräbnisurnen gedient haben.
Zwischen Vieng Xai und Phonsavan lag für das Pärchen noch eine Zwischenstation, weil sie den Weg nicht an einem Tag schaffen konnten. Das war ein kleines Dorf in einem Tal, umgeben von hohen Bergen. Endlich wurde es wieder wärmer, aber ein Roller machte Probleme. Er hatte keine Kraft, kam gegen Ende der Fahrt die Berge nicht mehr hinauf. Deborah hing gelangweilt auf der lahmen Schnecke und kam nur mäßig voran. So ging das ein paar Stunden bergauf, bergab dann zwischendurch wieder schneller. 15 Kilometer vor dem Ziel streikte das Moped endgültig. Deborah gab Gas und nix passierte. Mitten am Berghang ging es nicht mehr weiter. Zwei andere Backpacker kamen gerade vorbei und fragten, ob sie helfen könnten, aber wie nur? Die beiden anderen mussten schweren Herzens weiterfahren. Sven versuchte dann, den weissen Roller mit Hilfe eines Gepäckgummis abzuschleppen, was zum Glück auch gelang. Nach wenigen Metern hatten sie schon die Bergspitze erreicht und Deborah konnte den restlichen Weg bis in das Dörfchen bergab rollen. Dann wurde es auch schnell dunkel, genau geschafft. Am Abend fragten sich die beiden nach einem Mechaniker durch. Es gab drei verschiedene Shops dafür, doch niemand konnte sie mehr bedienen. Es war nämlich gerade ein Fest im Dorf, wodurch zwei von drei Mechanikern betrunken waren und schon schliefen (so deuteten sie zumindest die angezeigten Pantomimen) und der dritte war Vietnamese. Gut, meinten sie, Vietnamese ist doch gut. Er fand das aber nicht so toll und wollte nichts für sie tun. Jeder hatte seine eigene komische Ausrede. Also mussten sie bis zum nächsten Morgen warten und reihten sich dann direkt in die Schlange von Wartenden vor den Laden des ausgeschlafenen Mannes ein. Zusammen entdeckten sie einen Riss im Luftschlauch, wodurch die Power fehlte. Insgesamt standen sie zwei geschlagene Stunden vor der rümpeligen Garage, um zuzusehen, wie etwas Uhukleber, ein Bindfaden und Klebeband zum Einsatz kamen, um das Gefährt wieder fit zu machen. Ständig wurde zwischendurch ein anderer Kunde bedient oder ein bisschen gequatscht. Wenn sie den Mann angesprochen haben, kam keine Reaktion zurück. Sie wussten auch nicht, was er überhaupt vorhatte, was das Ganze kosten sollte und wie lange es dauern würde. Leider erlebten sie wie schon so oft eine sehr mühsame und unkreative Kommunikation. Und zum Schluss wurden sie vom Hof gejagt, zumindest ohne etwas bezahlen zu müssen. Dann ging die Fahrt weiter nach Phonsavan. Der geflickte Luftschlauch machte sehr gut mit, doch den Auspuff verlor Deborah nach einigen Kilometern erneut. Er fand seinen zweiten Stammplatz auf der Rückbank, fuhr kostenfrei und ohne Anstrengung mit und wurde für 2,50 Euro in Phonsavan wieder angeschweißt.
Es ging weiter nach Luang Prabang. In der gesamten letzten Woche mussten die beiden jeden Tag die Unterkunft wechseln. In Luang Prabang verbrachten sie drei Nächte, immer in einer anderen Unterkunft und auch jetzt in Vang Vieng sind sie bereits im zweiten Etablissement abgestiegen. Schuld daran sind die Massen an Touristen aus Europa, Amerika und China. Vor allem letztere sind in das beschauliche Laos gefahren, um das „Happy Chinese New Year“ zu feiern. Im Gegensatz zu den teilweise leer gefegten Landstraßen sind die Städte des Landes mit Touristen verstopft. Durch das trockene und warm bis heiße Klima ist momentan Hochsaison in Laos. In Luang Prabang verbrachten Deborah und Sven am ersten Abend ungefähr drei Stunden mit der Hotelsuche und am nächsten Morgen erneut zwei Stunden. In Vang Vieng insgesamt wahrscheinlich auch nochmal drei Stunden. Sie haben in unzählige gelangweilte und hocherfreute Gesichter geblickt, die ihnen mit einem breiten Grinsen und vor Dollars blitzenden Augen verraten haben, dass das Gasthaus ausgebucht ist. Oft sind sie enttäuscht wieder abgezittert und hatten nur manchmal das Glück, sich ein freies Zimmer anschauen zu können. Dann musste noch der Preis passen. Eine ziemliche Tortour. An jedem Morgen verloren sie dadurch viel Zeit und mussten immer wieder die insgesamt rund 60 Kilo Gepäck zusammenpacken, ansacken und umparken. Heute Morgen wollten sie sich einen Kaffe an der Rezeption machen und bekamen vom Rezeptionisten die Nachricht, dass sie doch auschecken sollten, denn das Gästehaus sei für diesen Tag voll. Na bloß gut, dass sie schon für drei Nächte zugesagt hatten und auch die Zusage für die Übernachtungen bekommen hatten. Doch das zählte anscheinend nichts. Kein „bitte“, kein „danke“, kein „entschuldigung“ oder „tschüß“. Vang Vieng ist nun die Zwischenstation zwischen Luang Prabang und der Hauptstadt Vientiane.
Einen Besuch in Luang Prabang können die beiden nur empfehlen. Die einstige Königsstadt schimmerte im Abendlicht ganz besonders schön und die gepflegten Häuser in französisch-asiatischem Stil stahlen den zahlreichen buddhistischen Tempeln fast die Show. Ein überragend großer Nachtmarkt mit allerlei Kunsthandwerk und Leckereien lud am Abend zum Verweilen ein, der Mekong mit seinen Bambusbrücken und die stilsicheren Cafés tagsüber. Zum Sonnenuntergang erklommen sie mit Menschenmassen unterschiedlichster Herkunft die Treppenstufen zum „Pho Si“-Tempel, der über der Stadt und dem Mekong mit schaulustigen Touristen die Abendsonne verabschiedete.
Der Weg nach Vang Vieng brachte Jungel, karge Berge und unberührte Natur mit sich. Eine Bergkette war besonders hoch (um die 1900 Meter) und hinab führte eine Baustellenstraße. Die kleinen Roller konnten dem Schotter und Sand gerade so standhalten und brachten die Reisenden sicher ins Tal. Auf dem nächsten Hügel begrüßte sie eine auf der Straße liegende recht große Schlange mit rotem Kopf. Schnell verdünnisierte sie sich in den grünen Graben und war nicht mehr zu sehen. Die Fahrten durch das Land sind immer wieder sehr erlebnisreich. Zwar auch kräftezehrend und manchmal unangenehm, aber die Natur, interessierte Augen und die hautnahe Erfahrung des Landes und der Leute machen jeden Kilometer zu einem eigenen kleinen Abenteuer.
8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hallo, wo habt ihr denn das Bild mit den Waffen aufgenommen; in einem Museum? Sind die nicht-verrosteten Gewehre noch schusstauglich? Der Rest sieht ja mal wieder gut aus (schönes Versteckbild übrigens!). Ich freue mich jedes Mal über euren Bericht. Grüße, Samuel
Hi, ja das war in einem UXO-Besucherzentrum. UXO steht für unexploded ordnance, also nicht explodierte Bomben aus der Kriegszeit. Keine Ahnung, ob die noch schusstauglich sind, müsste man mal probieren! Du hast uns auf dem Bild gefunden, sehr aufmerksam! Ganz liebe Grüße zurück ins kalte Deutschland, wir schwitzen in der Mittagssonne
Ohne Samu`s Kommentar hätte ich die Debi nicht entdeckt…!
Und den Sven?
Liebste Debbi,lieber Sven,
Eure Karte ist heute eingetroffen.
<3
Sie ist wunderschön!!!
Sie bekommt einen Ehrenplatz!
Hi du,
na das ist ja super! Dann können wir den anderen auch die nicht verschwommenen Bilder zeigen 😉
Liebe Grüße 🙂
Die Bilder sind jedes mal wunderschön!!! Sollten Hühner (sind es welche?) so grau sein? Wie erklärt ihr euch die Unhöflichkeit mancher Einheimischer? LG
Das Kompliment ehrt meinen Mann, danke! Ja es sind Hühner, in Deutschland kann man auch z.B. Wildhühner kaufen, die sind “nackig” genauso grau. Das hängt mit guter Haltung, Bewegung und besserer Durchblutung der Muskeln zusammen. Und was die Unhöflichkeit angeht, können wir uns das Ganze nur mit der anderen Kultur erklären, dass nicht “sinnlos” Worte verschwendet werden und damit zusammenhängend die doch spürbare Distanz zu Fremden/Touristen. Vielleicht muss man die Ursachen auch in der Geschichte suchen. Gerade die vielen unschuldigen Zivilopfer und Menschen, die heute noch von den Folges des Krieges verletzt oder getötet werden (der Krieg ist ja nicht mal 45 Jahre her). Das haben sich die westlichen weißen Leute zu Schulden kommen lassen, da kann ich gut verstehen, dass die Laoten uns gegenüber auch skeptisch sind, leider.