

Von Job zu Job
Dies erstmal vorweg: uns geht es gut! Das Coronavirus hat uns bisher verschont und wir haben ziemliches Glück, momentan eine gute Arbeit und eine Unterkunft auf dem Lande zu haben. Aber dazu später mehr. Wie es dazu gekommen ist und was wir zwischendurch erlebt haben, lest ihr im folgenden Bericht:
Wir hatten Besuch! Da war noch alles in Butter und wir hatten eine wunderschöne Zeit zusammen, die wir mit so viel Freiheit füllten, wie es nur ging. Aber das scheint schon ziemlich lange her zu sein. Seitdem hat sich nicht nur für uns wieder einiges geändert. Auch weltweit sind so viele Veränderungen passiert, die wir nur mit Staunen, Bedauern und Kopf schütteln verfolgen können. Die schnelllebige Zeit hat durch die Coronakrise nochmal eine ganz andere Bedeutung bekommen und wir können in den Nachrichten nur schwer das Ausmaß und den rasanten Fortgang der Krise nachvollziehen. Was für ein Glück, dass unser Besuch uns im Januar beehrte und nicht auf ein oder zwei Monate später angesetzt war. Die vielen Eindrücke, die wir in den vier Wochen des gemeinsamen Reisens sammelten, beschäftigten uns auch noch ein paar Tage im Nachhinein und wir brauchten erst einmal ein bisschen Ruhe. Dafür suchten wir uns einen zwar stark frequentierten, aber sehr schönen Platz südlich von Sydney aus, um einfach mal ein paar Tage lang abschalten zu können. In „Greenhills“ verbrachten wir eine regnerische Zeit, die im Norden des Landes und später auch in Sydney zu massiven Überschwemmungen führte.
So richtig entspannen konnten wir nicht ewig. Die Arbeitssuche saß uns mal wieder im Nacken und damit auch die noch zu sammelnden drei Monate Farmarbeit für die Beantragung des dritten Jahres „Working Holiday Visum“ für Australien. Wir klapperten unsere Kontakte, Internetseiten und Jobangebote ab, telefonierten mit etwaigen Arbeitgebern und schickten E-Mails hin und her. Erfolglos! Sven fing irgendwann an, von den Kaktusfeigen zu reden, wo wir im letzten Jahr gearbeitet und uns mit Stacheln übersät hatten. Die hätten ja auch wieder Saison, meinte er. Deborah bekam einen Lachanfall und zeigte ihm den Vogel. Dass wir dort nicht nochmal hingehen, hatten wir doch eigentlich geklärt! Doch nach weiteren zwei, drei ernüchternden Tagen der Jobsuche, kamen wir immer öfter auf die Kaktusfarm bei Wangaratta zu sprechen. Der einzige hoffnungsvolle Kontakt bestand zu dieser Zeit zu einer Kartoffelfarm bei Ballarat, die die Ernte aber erst Anfang März starten würde. Irgendwann wurde es schließlich unausweichlich und wir entschlossen uns dazu, die Besitzerin der Kakteen mal anzurufen. Sie freute sich über unser Angebot, vorbeizukommen und offerierte Sven den Posten des Vorarbeiters. Den Rest der Geschichte könnt ihr euch ja vorstellen bzw. im Artikel des letzten Jahres „Von Melbourne auf`s Dorf – Stachelig, schwer und superheiß“ vom 17. März 2019 nachlesen. Nur Sven hatte andere Aufgaben. Er musste nicht picken oder packen, sondern konnte sich vorrangig um das Wohlergehen und die Organisation der oft wechselnden Arbeiter kümmern, sie mit Wasser und Wassereis versorgen, die gesammelten Früchte zum Ende des Tages verladen und die Traktoren für den nächsten Tag vorbereiten. Deborah arbeitete währenddessen auf dem Feld oder in der Halle und wir beide genossen die Arbeit mehr, als wir erwartet hatten. Das samstägliche Barbecue, das von der Besitzerin und ihren Kindern organisiert wurde, war ein toller Wochenabschluss und zum Ende der Saison wurde damit sogar das allerletzte aktive Jahr der Dame nach über 40 Jahren Kakteen und somit auch ihr bevorstehender Ruhestand gefeiert. Der Kaktusfeigen – Schokokuchen, den Deborah für diesen Abend in der Tilly gebacken hatte, kam bei allen sehr gut an und war ratzfatz aufgefuttert.
Mit dem Ruhestand der Eigentümerin ging auch ein Ortswechsel einher. Die Farm wurde also verkauft. Den neuen Besitzer konnten wir in der letzten Woche noch kennenlernen und er lud uns und ein weiteres Pärchen gleich auf seine nicht weit entfernte Orangenfarm ein. Seine Frau Michelle hatte, typisch australisch, Bananenbrot gebacken, das herrlich schmeckte! Dann zeigte uns Phil noch die Farm, wir tauschten Kontaktdaten aus und bekamen die vollste Unterstützung der beiden zugesagt, falls wir einmal Hilfe brauchten oder einfach so mal wieder vorbeikommen wollten. Was für nette Leute, die man hier so trifft! Mit einem großen Sack voller Orangen fuhren wir vom Hof Richtung Ballarat, wo wir den baldigen Arbeitsbeginn schon zugesagt bekommen hatten. Bye bye Kaktusfeigen, hallo Kartoffeln!
Einen letzten freien Abend verbrachten wir nahe des Zielortes auf dem „Mount Alexander“. In einem wunderschönen Wäldchen mit Blick über die Weiten Australiens parkten wir unsere Tilly, genossen das Abendessen und eine sternenklare Nacht. Am nächsten Morgen lagen wir lang in unserem Bett und erfreuten uns einfach an der Aussicht und dem Wind, der vor der Kulisse des blauen Himmels sanft durch die Bäume streifte.
Die Ankunft in Bungaree, einem Örtchen bei Ballarat, begann mit dem Kennenlernen des Arbeitgebers Tony, der einen sehr netten Eindruck auf uns machte. Wir schauten uns gleich unsere neue Bleibe an, ein altes Farmhaus mit drei Schlafzimmern, einer eher funktionalen als gemütlichen Küche, einem schönen Wohnzimmer und dem Bad. Gemeinsam mit einem französischen Pärchen und einer weiteren Deutschen wohnen wir nun hier seit ein paar Wochen und haben uns sehr gut eingelebt. Vom gegenüberliegenden Milchbauernhof können wir uns frische Milch abholen, vom Feld dürfen wir soeben geerntete Kartoffeln mitgehen lassen und Mais gibt es auch genug. Wir werden also nicht verhungern. Der Familienbetrieb wird von einigen älteren und jüngeren Mitgliedern unterstützt, sodass wir immer ein paar Menschen um uns herum haben. Doch außerhalb dessen verschlägt es uns nur unter Leute, wenn wir uns in Ballarat mit Lebensmitteln versorgen müssen. Hier sind noch viele Shops geöffnet, die „Drive-Thru`s“ erleben einen mächtigen Aufschwung, doch Schulen, Spielplätze, viele Cafés, Museen usw. sind geschlossen. Im Supermarkt sind die Regale mal weniger, mal mehr gefüllt, es wird Händedesinfektionsmittel bereit gestellt und man soll bevorzugt mit der Karte bezahlen.
Die Einschränkungen, die uns betreffen, sind also momentan relativ gering (außer dass es hier genauso wie in Deutschland keine einzige Rolle Klopapier zu kaufen gibt). Wir sind super dankbar, dass wir diesen Job haben, dass wir in einem Haus wohnen können und Tony uns sogar angeboten hat, auch nach der Saison so lang wie wir wollen hier wohnen zu bleiben. Gut, dass wir im Moment, selbst innerhalb Australiens, in den nächsten noch hoffentlich zwei Monaten (so lang wie die Kartoffelsaison noch gehen soll) nicht geplant haben, herumzureisen. Frische Luft bekommen wir bei unserer Arbeit mehr als genug und wir hoffen, dass wir wie geplant Ende Juni das Visum für das dritte Jahr beantragen können, ohne dass uns die Coronakrise einen Strich durch die Rechnung macht.
Nun wisst ihr ein bisschen darüber Bescheid, was bei uns so passiert ist und wie es uns momentan ergeht. Übrigens hatte Sven einen tollen 30. Geburtstag mit vielen Geschenken, Kuchen, Blumen, Schokolade, Kerzen und Luftballons. Der Gruß aus der Heimat hat ihn besonders erfreut! Wir wünschen euch allen viel Durchhaltevermögen für die Zeit in den eigenen vier Wänden und vor allem Gesundheit! Bleibt behütet und bis bald.
4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Wie schön, dass es Euch so gut geht! Die Bilder wecken in mir starke Erinnerungen und ein noch stärkeres Fernweh, Ihr könnt Euch wirklich glücklich schätzen, dies alles so ausgiebig zu erleben!
Bleibt gesund!
Ja wir sind auch sehr dankbar dafür!
Fernweh zu stillen ist nie zu spät! Gesundheit wünschen wir auch.
Das ist ja schön, dass euch die Kaktusfeigen-Arbeit diesmal sogar besser als erwartet gefallen hat. Trotzdem sind Kartoffeln wahrscheinlich angenehmere Zeitgenossen. Haben euch die Traktorengespanne an DHL im kleinen Maßstab erinnert (speziell Sven)? Vielleicht ist es in den nächsten Monaten sogar etwas leichter Arbeit zu finden, wenn weniger Touristen ins Land kommen!? Würdet ihr das dritte Jahr noch voll machen?
Viele Grüße, Samuel
Hey, ja mit den Kaktusfeigen haben wir es diesmal besser raus gehabt, aber trotzdem sind Kartoffeln schon angenehmer zu händeln 😉 ! Mit ganz viel Fantasie könnten die Traktorgespanne schon an DHL erinnern, da hast du recht, aber ich glaub da hat mich die jetzige Arbeit auf der Kartoffelfarm mehr an DHL erinnert, so wie ich hier den ganzen Tag mit dem Gabelstapler rumdüse! Das dritte Jahr wollen wir natürlich noch voll nutzen (schon wegen der Anstrengung dafür und der Visakosten)! Ob es einfacher sein wird, einen neuen Job zu finden, werden wir sehr bald herausfinden, da die Kartoffelernte so gut wie abgeschlossen ist! Wir werden berichten 😉