

Wenig Schlaf und viel zu erleben
Das war ein Schock! Vor ein paar Tagen waren sie selbst noch dort gewesen. Mehrere hundert Einwohner wurden aus den umliegenden Dörfern evakuiert. Einer der gefährlichsten Vulkane der Welt, der Gunung Merapi (Feuerberg), hat am Freitagmorgen riesige Aschewolken ausgestoßen. Die Gefahr wurde zunächst auf Level eins eingestuft, trotzdem mussten durch die rund fünf Kilometer hohe Rauchwolke einige Flüge gestrichen werden. Deborah und Sven hatten sich selbst ein Bild von dem um die 2910 Meter hohen Vulkan machen können. Dafür liehen sie sich auf sehr unkomplizierte Art und Weise einen Roller in der touristischen Straße ihres Viertels in Yogyakarta aus und gingen am Abend zeitig ins Bett. Die beiden wollten den Sonnenaufgang am Vulkan erleben und stellten den Wecker auf drei Uhr. Das Hotel war auf frühe Schaulustige eingestellt und hielt schon Toast und Kaffee bereit. Nach der kleinen Stärkung fuhr das Paar eineinhalb Stunden lang durch die kühle Morgenluft und bahnte sich mit dem schwachen Scheinwerfer des schnellen Rollers den Weg bis zum Aussichtspunkt. Eilig kauften sie die Tickets und erklommen die letzten Meter und hohen Stufen bis die Plattform vor ihnen auftauchte.
Eine herrliche Landschaft erstreckte sich vor den Augen der vielen Neugierigen, die für das Spektakel sehr früh aus den Federn gekrochen sind. Die riesige Ebene wurde von Nebel bedeckt und von mehreren grün bewaldeten Bergrücken eingerahmt. Der Merapi war dabei natürlich nicht zu übersehen. Wenn sie genau auf den Nebel schauten, konnten sie sogar die zarten Umrisse des bekannten Borobudur -Tempels ausfindig machen. Dann wurde es langsam spannend, denn die Farbe des Himmels veränderte sich. Immer mehr orange und gelb kam hinzu und die ersten Strahlen der Sonne waren im Himmel zu erkennen. Der leuchtende Ball versteckte sich noch ein Weilchen hinter dem massigen Vulkan, bevor er mit „oh“ und „ah“ von den umstehenden Menschen begrüßt wurde. Die hibbeligen Asiaten hielt es trotz Spielzeug in Form von einer über dem Abgrund schwebenden Schaukel und der nebenstehenden Plattform als Fotomotiv nicht lang auf ihren Plätzen. Sie wuselten ständig umher, schossen ununterbrochen Fotos von sich und dem Spielzeug, weniger von der Sonne und der Landschaft, und taten lautstark ihre Entdeckung der durch die Baumkronen sichtbaren Hühnerkirche kund. Das auserkorene neue Anschauungsobjekt wurde direkt zur Erkundung freigegeben. Eine paradiesische Ruhe machte sich nun auf der Plattform breit und die übrig gebliebenen weissen Touristen teilten ein paar weitere Momente der aufgehenden Sonne über der lichter werdenden Natur.
Als auch die beiden Deutschen genug Morgensonne getankt hatten, machten sie sich ebenfalls auf den Weg zu der Betonkirche mit der skurrilen Form. Ein kurzer Fussmarsch durch den Wald mit einigen Auf- und Abstiegen führte sie zum Eingang der Kirche, wo wieder ein Eintrittsgeld verlangt wurde. Unschlüssig schlenderten sie durch das Tor und wurden nicht zum Bezahlen aufgefordert, also marschierten sie einfach weiter und konnten sich ohne Ticket zumindest das Äußere der Kirche anschauen. Das Hühnchen saß starr und massiv mit seinem Krönchen und dem roten Schnäbelchen zwischen den Bäumen und starrte auf den Dschungel. Im Jahr 1989 hatte der aus Jakarta stammende Daniel Alamsjah eine göttliche Eingebung zur Errichtung dieses Gebetshauses und startete den Bau zu Beginn der 1990er Jahre. Hier sollte Gott verehrt werden und zwar unabhängig von der jeweiligen Religion. Im Erdgeschoss konnte das Pärchen noch einen Blick auf die Gebetsräume erhaschen und machte sich dann auf den Rückweg. Im Wald fiel Sven plötzlich auf, dass er den Schlüssel am Roller in der Eile hatte stecken lassen. Oh nein! Das konnte böse ausgehen. Mit schnellen Schritten arbeiteten sie sich bis zum Parkplatz vor und waren sehr erleichtert, als sie den Schlüssel von der stillen Wächterin bekamen. Das war ja nochmal gut gegangen.
Jetzt steuerten sie die Strecke zum eigentlichen Nationalpark an und hielten an einigen Attraktionen. Meistens musste jedoch schon ein ziemlich teures Ticket gelöst werden, um einen Wasserfall, eine Aussicht oder ein paar Höhlen zu entdecken. Deborah und Sven begaben sich lieber in Richtung der versteinerten Lava, ignorierten die vielen Schranken und mit Tickets wedelnden Männer und Frauen und bewältigen die letzten Meter zum Lavafeld zu Fuss. Jetzt waren sie dem Merapi wirklich sehr nah und beeindruckt von seiner Größe und Gewaltigkeit. Als sie sich satt gesehen haben, fuhren sie die vielen Kilometer mit langem Großstadtstau und großer Hitze zurück und mussten nach dem kurzen nudeligen Mittagessen erstmal ein Nickerchen machen. Der Roller wartete in der Zwischenzeit vor der Tür und trug sie zum Sonnenuntergang auf einen Berg in südöstliche Richtung. Dort reihten sich die Restaurants aneinander, um Gäste abzufassen, die auf den gigantischen Ausblick mit der untergehenden Sonne und einer guten Verköstigung scharf waren. Minuten später hatten Deborah und Sven ihren Ingwerdrink und dampfende Teller vor sich und ließen den aktiven Tag mit einer Runde Kniffel in Ruhe Revue passieren.
Am nächsten Morgen packten die beiden mal wieder ihre Rucksäcke zusammen. Es stand die Weiterreise nach Malang an. Zum Mittag mussten sie das Zimmer verlassen und vertrieben sich die Zeit bis abends um acht Uhr mit planen, lesen und Kaffee trinken. Ein Taxi brachte sie zu dem sehr dunklen und verlassenen Busbahnhof. Der Kleinbus hatte fast eine Stunde Verspätung und war schon voll mit Einheimischen, die man anscheinend irgendwo in der Stadt aufgesammelt hatte. Die Nacht war schlaflos, bremsstark und rasant. Der Busfahrer machte ziemlich viel Stress im Verkehr. Während der halbstündigen Pause bekamen sie mitten in der Nacht Reis, Gemüse und Fisch mit übersüßem Tee serviert. Morgens um sechs Uhr erreichten sie endlich Malang und wurden direkt an der gebuchten Unterkunft raus gelassen. Deborah und Sven hatten ein kleines Apartment mit Küchenzeile gebucht und mussten nach der anstrengenden Fahrt bis 14 Uhr auf das Check-In warten. Doch es kam noch schlimmer. Sie fragten in der Lobby des Gebäudes nach der Unterkunft und einer Kontaktperson. Niemand hatte je von dem Namen gehört. Also setzten sie sich und ihr Gepäck in die schweren Sofas und warteten. Immer wieder versuchten sie, den Kontakt zu erreichen. Auf E-Mails bekamen sie keine Antwort und die angegebene Telefonnummer war nicht vergeben. Auch im Verwaltungsbüro konnten sie nichts erreichen. Weil sie nach vier Stunden erstmal genug hatten und Hunger bekamen, gaben sie ihr Gepäck nach etwas Überredungskunst im Hotel in der siebten Etage ab, das mit ihrer Buchung aber nichts zu tun hatte. Dann erkundeten sie erstmal die Umgebung und aßen Nasi Goreng auf dem Universitätsgelände. Als sie zurück kamen, hatten sie immer noch keine Mail bekommen und fragten sich, wie sie zu ihrem Schlüssel kommen sollten. Es war inzwischen 15 Uhr. Glücklicherweise bekamen sie zufällig mit, dass zwei weitere Männer in der Lobby ein Apartment gebucht hatten und fragten diese und den Sicherheitsmann nach dem Kontakt. Sie wurden zu dem Zimmer geschickt, das am Rande in ihrer Buchung angegeben war. Dort wartete ein kleiner schmaler Mann auf sie und legte auf indonesisch los. Deborah und Sven verstanden natürlich kein Wort und versuchten, die Worte des Mannes mit Hilfe ihrer Übersetzungsapp zu entziffern. Auf jeden Fall war das nicht ihr gebuchtes Zimmer. Es gab nichtmal eine Küchenzeile und es sah viel abgewohnter und qualitativ schlechter aus, als auf den Bildern der Buchung. Der zierliche Indonesier machte ihnen klar, dass dies nicht ihr Zimmer sei, sie aber hier übernachten könnten, wenn sie das Geld bezahlen würden. Für das Zimmer wollte das deutsche Pärchen aber nicht den gleichen Preis bezahlen und ging mit dem Mann zum Sicherheitsmann zurück. Sie diskutierten hin und her und kamen zu keinem Ergebnis. Die Männer gaben zu, dass sie es mit einem Betrug zu tun hatten und es dieses Apartment gar nicht gibt. Also mussten sie sich wohl oder übel eine andere Übernachtungsmöglichkeit suchen. Zum Glück hatten die beiden zumindest eine SIM-Karte mit Internetanschluss und konnten sich ein anderes Gästehaus heraussuchen. Per Taxi gelangten sie dorthin, wurden zunächst abgewimmelt, weil die Zimmer angeblich ausgebucht wären (obwohl man sie Online buchen konnte) und bekamen schließlich doch noch ein kleines Zimmer mit Einzelbett für eine Nacht. Jetzt waren sie ziemlich erschöpft, suchten sich noch ein Abendessen und eine weitere Unterkunft für die kommenden Nächte und schliefen dann lang und gut.
Am nächsten Tag hieß es wieder umziehen. Diesmal war alles in Ordnung und die Umgebung sehr angenehm und sauber. Am Abend durchkämmten sie die Stadt nach einer Möglichkeit, sich einen Roller auszuleihen. Schließlich wollten sie sich endlich den Vulkan Bromo anschauen. Nach mehr als zwei Stunden suchen, fragen und unfreundlichem Gehabe hatten sie einen Roller bekommen und legten schon um drei Uhr morgens los, um den Sonnenaufgang am aktiven Bromo zu erleben. Für den Weg würden sie ungefähr zwei Stunden benötigen und waren gut in der Zeit. Nach dem nächsten Abzweig wurden die Straßen auf einmal viel schlechter. Es gab nur noch spärlichen Asphalt, sehr tiefe Schlaglöcher und spitze Steine. Auch steile Berge und enge Kurven waren keine Seltenheit. Manchmal kamen sie nur noch in Schrittgeschwindigkeit voran und erschraken sehr, als plötzlich die Motorleuchte ansprang. Das war auf jeden Fall kein gutes Zeichen! Da sie sich gerade einen Berg hoch kämpften, hielten sie erstmal nicht an und freuten sich über das Erlöschen der Lampe, als sie oben waren. Mitten in der Nacht hatten sie sowieso keine Wahl und mussten einfach weiterfahren. Der Roller kämpfte sich nur mühsam die Berge hoch. Und das nächste Schlagloch hatte es in sich. Sie schlingerten umher und spürten die ungewohnte Unstabilität. Deborah sprang schnell ab, denn sie hatten einen Platten! Na klasse. Keine Menschenseele weit und breit, dunkle Nacht und der bevorstehende Sonnenaufgang, der nicht auf die beiden warten würde. Die Frustration war groß, was sollten sie jetzt nur machen. Nicht viel später kam ein LKW heran, der mehrere Frauen auf der Ladefläche hatte und hielt nach kurzem Zeichen auch an. Schnell begriff der Fahrer das Problem und zeigte die Straße entlang. Deborah setzte sich schließlich zu den Frauen, die aus ihren Dörfern abgeholt und zur Arbeit gefahren wurden und Sven fuhr vorsichtig hinterher. Der Trupp kam nur sehr langsam voran. An der folgenden Kreuzung mussten sie einen anderen LKW zum Mitnehmen finden und zeigten auch hier dem Fahrer den platten Reifen. Er verstand und hielt nach ein paar Kilometern an einer Schrauberhütte. Vor der verschlossenen Holzhütte stand ein Kompressor und der Schlauch hing griffbereit über einem Balken. Die Deutschen bedankten sich bei dem Fahrer und waren nach mehreren Versuchen mit dem Aufpumpen erfolgreich. Die Luft hielt sogar und die Fahrt ging weiter. Sie hatten mindestens eine halbe Stunde verloren. Am Tor, wo die Tickets für den Nationalpark verkauft wurden, wurden wieder nur die weissen Touristen angehalten. Sie bezahlten den Wucherpreis und eilten weiter. Umso näher sie den Sonnenaufgangsplätzen kamen, desto mehr Jeeps sahen sie. Die Straße war letztendlich an beiden Seiten mit den Vierrädern gepflastert. Den Roller parkten sie irgendwo dazwischen und fanden noch einen schönen einsamen Platz, den sie gerade erreichen, als sich die Sonne am Horizont zeigte. Der Blick war atemberaubend. Ein riesiger Krater trennte die Sonnenanbeter durch eine gewaltige Sandbucht von mehreren Vulkanen. Der Bromo war eher flach und breit, der Semeru dahinter spitz und hoch. Überglücklich, dass sie es gerade so noch rechtzeitig geschafft hatten, schauten sie überwältigt von der schönen Natur dem Schauspiel drei Stunden lang zu und genossen nebenbei ihr mitgebrachtes Frühstück.
Damit war die Freude allerdings noch nicht vorbei, denn jetzt kraxelten sie mit dem Zweirad den Krater hinunter in die Weiten der unwirklichen Sandlandschaft. Dort versuchten sich schon einige Fahrzeuge an der Durchquerung, was durch den feinen lockeren und tiefen Sand mal spaßig, mal anstrengend und nervig war. An einem Ort sammelten sich dann alle Passagiere und ließen die motorisierten Fortbewegungsmittel stehen. Von dort liefen auch Deborah und Sven Richtung Bromo, um den Krater des Vulkans zu besteigen. Das war ganz schön kräftezehrend, aber die Mühe hat sich total gelohnt. Nach den finalen Treppenstufen blickten sie ungeschmückt in den steilen und felsigen Schlund des Vulkans. Unablässig spie dieser eine Rauchwolke aus und donnerte wie eine mehrspurige Autobahn. Es roch etwas nach Schwefel. Auf dem schmalen Kraterrand mussten sie sehr vorsichtig sein, denn es gab keine Absperrung und es war sehr rutschig und steil. Das Pärchen war von der Kulisse, der Natur und der gesamten Umgebung schwer beeindruckt!
Nachdem sie genug hatten, marschierten sie zurück zum Roller, mussten wieder durch den Sand, die steilen Berge hinauf und den weiten Weg zurück. Die Luft des Reifens hielt, die Motorleuchte war mal an, mal aus. Zurück zu Hause erholten sie sich mit warmem Wasser, viel Schlaf und gutem Essen in ihrem neuen Stammlokal. Tolle Snacks und der herrlichste Kaffeeschaum der Welt warten auch heute auf sie. Was für ein Leben!
Wir wünschen Euch, insbesondere den tollen Müttern dieser Welt, einen ganz besonders schönen Sonntag und verabschieden uns bis zum nächsten Mal!
6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Danke für den Muttertagsgruß. Ihr habt ja eine wahnsinnige Tour hinter Euch. Unser neuestes Erlebnis, wir haben seit gestern einen neuen Kaiser (Paul). Nach dem Standesamt am Rathaus wurde gesägt, was nicht so einfach klappte. Erst mit Opas scharfer Säge ging es zügig voran. Viele Grüße und eine schöne Weiterreise. Bleibt gesund, bis zum nächsten Mal. Oma und Opa.
Danke für eure Meldung. Da erweitert sich die Familie mal wieder, sehr schön! Wir wünschen euch allen am Samstag eine tolle Feier! Bleibt gesund und munter, auf das Hochzeitspaar, schwingt das Tanzbein und die Likörgläser 🙂
Danke ihr Lieben für eure Muttertagsgrüße.
Ihr seid ganz schön verrückt und mutig mit euren Roller. Allerdings seid ihr für eure Strapazen wirklich mit einen tollen Naturschauspiel belohnt worden. Die Bilder sind schon beeindruckend und es live zu sehen ist bestimmt überwältigend. Passt gut auf euch auf!
Liebe Grüße aus Pulsnitz Eure Mutti
Danke für die lieben Grüsse und dem wunderschönem Reisebericht mit den gigantischen Bildern. Lasst es euch weiter gut gehen, bleibt gesund und wir warten zu Hause auf eure nächsten Abenteuer. Liebe Grüße aus dem Arzgebirg von Gunter und Corina
Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie ihr Zwe-e dort rumhanst. Mal auf irgendeinen Vulkan gelatscht, mal an Schranken vorbeigemogelt (unauffällig pfeifend). Und vom Rollerfahren habt ihr immer noch nicht genug! Schöner Sand-Burnout von Sven! Weiter so.
So oder so ähnlich könnte man es beschreiben 🙂
Sven hatte auf jeden Fall Spaß im Sand, aber auch eine große Last auf dem Rücksitz, das war etwas hinderlich 😉
Danke, Bruderherz!