

All around Eucla
Ein einziger Highway führt durch die flache Ebene und verbindet Südaustralien mit dem riesigen Westen des Kontinents. Die Strecke von Streaky Bay in Südaustralien Richtung Westen kannten wir eigentlich schon auswendig. Viel gab es dabei ja auch nicht zu beachten. Relativ schmal und stellenweise abgenutzt zeigte sich die Asphaltstraße unter den großen Reifen unserer Tilly, die wie selbstverständlich die 600 Kilometer durchs absolute Nichts zurücklegte. Die für ihre Masse und gnadenlosen Fahreigenschaften berühmten Roadtrains mit bis zu vier schweren Hängern ballerten wackelig an uns vorbei. Jedesmal atmeten wir auf, wenn ein weiteres Überholmanöver überstanden war. Von unserer Arbeit im Nullarbor Roadhouse kannten wir den typischen Fahrer dieser Ungeheuer schon ganz gut: Vollbart und Cappy, Sonnenbrille auf der Stirn, zerfetztes Shirt, kurze Hosen und klobige Arbeitsschuhe. Immer hungrig, Lust auf Kaffee und bereit für einen netten kleinen Plausch.
Als wir den Job in Eucla zugesagt hatten, gingen wir davon aus, vor allem diese liebevoll genannten „Truckies“ bewirten zu dürfen. Doch Eucla war ein anderes Kaliber. Empfangen wurden wir von einer herrlichen Ruhe und einem kleinen Kollegium. Unsere Unterkunft war eine ehemalige Ferienhütte mit dem schönsten Ausblick, den man sich nur wünschen kann. Kurz vorm Abhang des flachen Reliefs standen wir auf unserer Holzveranda und genossen die endlose Weite, die sich vor uns ausbreitete. Rechts der Highway, links die weissen Sanddünen und geradeaus das tiefblaue Meer. Das Fernglas fand mit der Zeit seinen Platz am Fenster und ermöglichte uns die Sicht auf den Verkehr der Straße und weit entfernte Kängurus, Emus und Dingos. In der Nacht jaulten die Wildhunde furchteinflößend und laut ganz in unserer Nähe.
Die Arbeit im Roadhouse machte Spaß. Stück für Stück wurden wir in alle Bereiche eingeführt – echte Allrounder eben. Standen wir anfangs nur in der Küche oder in den Gästezimmern zum Putzen, wurden wir mit der Zeit meist einen halben Tag hier und die andere Hälfte des Tages dort eingeteilt. Nach dem Housekeeping oder Kochen des Frühstücks machten wir also noch eine Schicht auf dem Campingplatz, in der Bar, der Rezeption, im Café, dem Restaurant, der Tankstelle oder der Küche. Je nach Andrang konnte es sein, dass wir manche Gäste von vorn bis hinten bewirteten. So kassierten wir sie zunächst an der Tankstelle ab, buchten sie dann an der Rezeption für die Nacht ein, machten ihnen Kaffee und begrüßten sie am Abend im Restaurant und der Bar erneut. Auch das Frühstück servierten wir ihnen am nächsten Morgen und wünschten eine gute Weiterreise. Diese Vielseitigkeit hielt uns bei Laune. Viele Gäste waren verblüfft und grinsten schon, als sie uns an der nächsten Ecke schon wieder erspähten.
Als die Chefin im Urlaub war und wir uns in dem internationalen Kollegium selbst um alles kümmerten, beantwortete Deborah außerdem die E-Mails und schrieb sogar die Dienstpläne. So mussten wir die ganze Anlage für eine Weile allein managen, was natürlich auch einige Freiheiten und Privilegien mit sich brachte.
Im neu gebauten Gemeindezentrum der winzigen Siedlung von den wenigen nebeneinander gestellten Häusern konnten wir nach Lust und Laune Tischtennis und auf dem Platz mit Meerblick auch Tennis spielen. Wir lernten ein paar Leute aus dem Ort kennen. Die einen waren als Grenzbeamte der nahegelegenen Grenze zu Südaustralien angestellt und kontrollierten die Fahrzeuge auf Obst, Gemüse, Honig usw. Die anderen arbeiteten bei der Polizei. Marcus, der netteste Polizist von ihnen, kam jeden Morgen gegen halb neun und bediente sich wie eh und je an der Kaffeemaschine hinter dem Tresen. Die Touristen und Reisenden fanden den milchaufschäumenden Polizisten in Uniform natürlich immer witzig. Dann tauschten wir alle Neuigkeiten von Eucla und dem Highway aus und Marcus verabschiedete sich in seine Schicht. Am Abend kam er zum Dinner wieder.
Die Wochen flogen nur so dahin. Meistens arbeiteten wir von morgens um sechs bis abends um neun, hatten manchmal eine Pause dazwischen, manchmal nicht. So genau nahm das keiner. Fünf Monate lang hielten wir das abgelegene Leben entfernt von jeglicher Zivilisation durch, zwei Monate davon ohne einen einzigen Tag frei zu haben. Doch wir waren froh, wenn wir viel arbeiten konnten – schließlich gab es rundherum nur wenig zu entdecken und der Spargroschen zum Reisen wuchs.
All around Kalgoorlie
Als die Zeit gekommen war, die Zelte in Eucla abzubrechen, hatten wir schon die nächste Arbeitsstelle klar gemacht. Wir legten eine dreiwöchige Auszeit in Esperance am Meer ein, dann ging es direkt nach Kalgoorlie, zu dem Ort mit der größten Goldmine Australiens. Wir blieben in der gleichen Branche und arbeiteten weitere sechs Wochen in einem sehr großen Motel mit einhundert Zimmern und um die 500 Essen an jedem Abend. Die Arbeitsfelder waren für uns hier nicht so vielseitig. Meist traf man uns in der Küche oder dem Restaurant an, manchmal auch im Housekeeping oder bei Hausmeisteraufgaben. Verpflegt wurden hauptsächlich die Minenarbeiter, die im Turnus von zwei Wochen Arbeit und einer Woche frei hauptsächlich von Perth nach Kalgoorlie per Flugzeug gebracht wurden. Neongelbe Arbeitsklamotten, dreckige Gesichter, kaltes Bier und viel Essen und Fleisch bestimmten nun unseren Arbeitsalltag. Hauptsächlich Männer bekamen von ihren Arbeitgebern den Transport, die Unterkunft, das Essen und dazu eines der besten Gehälter in der australischen Arbeitswelt gestellt. Gefährliche, lärmbetäubende und dreckige Arbeit waren der Zoll dafür. Auch wir besuchten die berühmte „Super Pit Gold Mine“, die rund um die Uhr betrieben wird und schauten ungläubig in den immensen Tagebau. Über dreieinhalb Kilometer lang, eineinhalb Kilometer breit und 600 Meter tief ist die Mine nun. Jetzt wussten wir auch, woher so manche erdbebengleiche Erschütterung in der Stadt kam.
Leider gefiel uns die Arbeit in Kalgoorlie nicht so richtig, die Schichten waren langwierig, das Kollegium zwar nett, aber allgemein umgab uns eine Stimmung der monotonen Langeweile, die wir so nicht länger ertragen konnten. Sicherlich war das auch dieser abgelegenen Stadt im Outback geschuldet. Zudem lebten wir auf dem Areal des Motels, das direkt an einer sehr lauten Straße lag. Selbst wenn wir frei hatten, fanden wir keine Ruhe und waren ziemlich fertig von den geteilten Schichten. Von morgens drei Uhr bis neun Uhr und abends von um fünf bis um neun waren typische Arbeitszeiten. Dieser Rhythmus war sehr gewöhnungsbedürftig. Leider hatten wir nicht viel Freizeit zusammen. So kam es uns sehr gelegen, dass unser Freund Jano gerade jetzt einen Kitesurftrip veranstaltete, bei dem wir mitfahren sollten und wollten. Kurz entschlossen packten wir unsere Sachen wieder zusammen und verabschiedeten uns von den KollegInnen und der staubigen Stadt im Outback.
Mit jeder Menge Vorfreude lenkten wir unsere Tilly zurück nach Perth. Zum einen waren wir froh, diesem Ort und der Arbeit entkommen zu sein. Zum anderen ist es immer wieder schön, in Perth zu sein. Wenn man dann noch nette Leute trifft und etwas Tolles vor hat, kann es gar nicht mehr besser werden. Über den Kitesurftrip erfahrt ihr alle Details im nächsten Bericht!
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ein sehr schöner Rückblick!
Habt Ihr schon wieder sehr Sehnsucht nach Australien?
Liebe Grüße von Eurer Mutsch
Hi Mutsch, ja ein bisschen schon. Diese Freiheit dort ist einfach unschlagbar ❤️