

Wir schwingen uns in den Sattel
Nach fünfeinhalb Jahren war es endlich so weit, wir sind in den Flieger nach Deutschland gestiegen. Wenn man so eine lange Zeit nicht in der Heimat war, beschleichen einen schon mulmige Gefühle. Auf der einen Seite zählten wir die Wochen und Tage bis zum Abflug herunter und freuten uns sehr, die Leute daheim und die vertraute Umgebung endlich wieder zu sehen. Auf der anderen Seite fühlte es sich so an, als würden wir unser bisheriges Leben aufgeben müssen. Tatsächlich war es ja auch so. Unsere Landcruiserdame Tilly parkten wir in einer kleinen Garage auf der Farm und verabschiedeten uns von „unserem“ Australien. Die freien Weiten, die spannenden Tiere, die wallenden Eukalyptusbäume und die immer lockeren und lebenslustigen Menschen werden wir noch lange vermissen. Gut, dass der Abschied nicht für immer sein wird.
Insgesamt trennten uns 20 Stunden Flug von Deutschland. Einmal angekommen, waren wir ganze zwei Monate lang daheim und dabei bis zum Schluss ziemlich ausgebucht. Allen Familienmitgliedern und Freunden lagen wir in den Armen, berichteten über die letzten Jahre und nahmen die Neuigkeiten aus ihrem Alltag mit.
Um unsere anstehende Tour mit Motorrädern durch Europa zu verwirklichen, begannen wir auch direkt am zweiten Tag in Deutschland mit der Besichtigung verschiedener Maschinen. Da Deborah erst noch den A-Führerschein ablegen musste, hatten wir natürlich gut zu tun, alles zu organisieren. Eine spezielle Fahrschule im Münsterland, die im Intensivkurs in einer Woche zum Motorradführerschein verhilft, kam uns da gerade recht. Um in dieser kurzen Zeit die Theorie und Praxis zu erlernen, büffelte Deborah schon seit Wochen in der zugehörigen App den theoretischen Fragebogen durch. Nebenbei stellten wir die Anträge bei der Führerscheinstelle und verbanden solche Wege mit schönen Ausflügen oder kleinen Treffen. Nach ein paar entspannten Tagen an der Ostsee mit Familie ging es direkt ins Münsterland. Eine halbe Stunde von der Fahrschule entfernt nahmen wir uns ein Airbnb und hatten eine intensive und abwechslungsreiche Zeit – Deborah meist in der Fahrschule, Sven in der Umgebung von Münster, in der Küche zur Vorbereitung der Verpflegung oder vorm PC am Planen und Recherchieren. Die Woche ging super schnell vorbei. Fahrlehrer Jürgen war ein sehr angenehmer Typ, der fachlich und menschlich alles weitergeben konnte, was man sich wünschte. Die F800R passte prima und machte Spaß. Natürlich mussten auch einige Theorieblöcke sein, die gerade vor den abendlichen Nachtfahrten etwas ermüdend waren, doch auch das gehörte dazu. In den freien Stunden machten wir es uns gemütlich oder schauten uns Münster an. Die Prüfungen verliefen glatt, unserer Tour stand also nichts mehr im Wege.
Eine ältere, himmelblaue F650GS und die dunkelblaue Honda Transalp schmückten nun die elterliche Garage. Wir tauften Deborahs GS „Hakuna Matata“ und verpassten Svens Transalp den Namen „Bifi“. Jetzt besorgten wir noch einiges an Equipment für die Reise, schließlich brauchten wir alles Mögliche an Ausrüstung von Campingküche über Schlafsack und Co bis zu Motorradklamotten, Ersatzteilen und Werkzeug. Für die neuen Seitentaschen bauten wir rechts und links Abstandshalterungen, damit diese nicht am Auspuff wegschmelzen würden. Mit dem Führerschein in der Tasche drehten wir einige Proberunden auf der Straße und im Gelände, um unsere Zweiräder besser kennen zu lernen und natürlich zum Spaß haben.
Auch die Route nahmen wir nochmal unter die Lupe: Tschechien, Slowakei, Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien Herzegowina, Montenegro, Albanien, Griechenland, Türkei und über Italien und die Schweiz wieder hoch. Klingt nach einem guten Plan, nur die Sommerhitze machte uns Sorgen. Aber weil wir uns fünf Monate lang Zeit nehmen wollten, konnten wir die heißen Monate schlecht umgehen. Auf jeden Fall freuten wir uns auf die Tour durch Europa, schöne Natur und die vielen kulturellen und geschichtlichen Sachen, die es zu entdecken gibt. Das hatten wir in Australien doch etwas vermisst.
Der Tag der Abreise war irgendwann endlich da. Alle Taschen wurden gepackt und auf den Motorrädern verzurrt. Jeder hatte eine Tasche rechts und eine links und eine große Rolle quer hinten drauf, dazu das fest verschließbare Topcase. Also endlich aufsitzen und los! Mit dem ganzen Gepäck waren die ersten Kilometer noch etwas ungewohnt, doch insgesamt ging es besser als wir dachten. Die erste Strecke führte bis Bad Schandau und wunderschön immer der Elbe nach über die Grenze nach Tschechien. Am Abend fanden wir einen grünen Platz an der Eger nicht weit von Prag und packten zum ersten Mal das Zelt und die Campingküche aus. Ein paar Anwohner liefen am Zelt vorbei, das war aber kein Problem. Wir brauchten bestimmt eineinhalb Stunden vom Zeltaufbau bis zum Abwasch, diese Zeit mussten wir abends nun immer einplanen.
Am nächsten Morgen packten wir alles wieder zusammen, verstauten die Taschen auf den Bikes und fuhren in die Hauptstadt. Massen an Touristen schlängelten sich bei dem schönen Wetter entlang der Gassen und Plätze. Auf einem sehr belebten Marktplatz stellten wir die Fahrzeuge ab und versuchten nun, alles zu sichern. Die Motorradjacken passten in eine Tasche, die Hosen und Helme in das Topcase, die Schuhe legten wir auf die hintere Rolle und zurrten sie mit dem Gurt für die Seitentaschen fest. Dann schlossen wir die Gurte ab und hofften, dass alles sicher genug gegen Diebstahl verstaut war. Auch diese aufwändigen Vorbereitungen mussten wir ab jetzt vor jedem Stadtrundgang treffen, eine halbe Stunde dauerte das schon. Dazu das Umziehen in bequeme Klamotten und Schuhe. Wenigstens konnten wir immer direkt im Zentrum und kostenfrei parken. Andere bereits parkende Motorräder waren immer ein gutes Zeichen für einen netten Parkplatz für uns. Mit leichtem Gepäck erklommen wir die Stufen zur Burg, genossen den Ausblick und sahen uns im Veitsdom um. Dann marschierten wir über die Karlsbrücke und durch den Pulverturm bis zum Alten Rathaus mit seinem ausladenden Platz davor. Zurück an den Motorrädern stellten wir erleichtert fest, dass alles so war, wie wir es verlassen hatten und räumten nun retour. Wir düsten noch ein Stück gen Süden, stockten die Vorräte auf und hielten an einem herrlichen Ausblick über die Moldau. Ein Plätzchen am Feldrand neben braun gefiederten Fasanen erschien uns ideal für die Nacht.
Die berühmte Moldauschleife war von unserem Schlafplatz nur wenige Kilometer entfernt, sodass wir diese direkt ansteuerten. Leider mussten wir uns von den Zweirädern ein paar Kilometer weit entfernen, sodass wir erneut Gepäck sichern und verschließen mussten. Der Blick ins Tal über grün abfallende Hügel, wo die Moldau eine perfekte Schleife legte, war schon sehr sehenswert.
In Tschechien nahmen wir noch das niedlich hübsche Teltsch mit seinen bunten Häusern in der Abendstimmung mit und statteten auch Trebitsch mit seinem alten Judenviertel und dem Judenfriedhof einen Besuch ab. In Brünn beeindruckte uns die Festung Spielberg mit dem weiten Ausblick über die Stadt. Den bisher schönsten Schlafplatz in der Natur fanden wir kurz vor der Grenze zur Slowakei. Es ging auf einen Hügel hinauf, wo neben saftigen Feldern der Blick ins Tal mit der Abendsonne vergoldet wurde.
Das erste Land, in dem wir vorher noch nie waren, folgte direkt auf unsere schönen Tage in Tschechien. Die Slowakei war für Naturfreunde wie uns ein tolles Ziel, doch dazu später mehr!
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Na da allzeit gute Fahrt ihr verrückten Biker 🏍😃
Die Slowakei mit ihrer Hohen Tatra wird euch sicherlich auch sehr gut gefallen.
LG eure Ellis
Danke. Die Hohe Tatra war wirklich sehr schön und die Übernachtungsplätze und das Wetter haben gepasst! 😎