

Von A wie Auspuff bis P wie Polizist
Mit Blick auf die Bucht schreiben sie diese Zeilen für die Leute daheim und beobachten nebenbei die Flotte an Fischerbooten, die den Hafen gerade verlässt. Für die anderen großen und kleinen Boote haben sie zu ihrer eigenen Belustigung jede Menge Kommentare parat. Noch vor ein paar Stunden erkundeten sie das Örtchen Cát Bà. Das Pärchen spazierte um die Bucht bis zum Strand und einen wunderschönen Weg direkt am Wasser entlang mit herrlicher Aussicht auf die berühmten und wie unwirklich wirkenden Kalksteinfelsen. Nur der Nebel störte ein bisschen die Urlaubskulisse. Am Freitag hatten sie nach relativ langer Zeit in Hanoi ihre sieben Sachen wieder zusammen gepackt und sich von den netten Besitzern des Homestays verabschiedet. Wenigstens konnten sie nach tagelangem Hin und Her in der Hauptstadt noch zwei SIM-Karten besorgen. Das war gar nicht so einfach. Denn sie brauchten eine Möglichkeit, um sich gegenseitig zu erreichen und bestenfalls ein paar Sachen im Internet nachzuschauen. Und das nicht nur für Vietnam, sondern auch für die Nachbarn Laos und Kambodscha. Doch es gab meist nur Karten, die ausschließlich in Vietnam funktionieren. Oder welche, die lediglich Internettarife beinhalten und keine Anrufe oder SMS. Oder Karten, die sich nach dreißig Tagen von selbst wieder abschalten. Deborah und Sven fragten sich bestimmt eine Woche lang durch mindestens zwanzig Läden der ganzen Stadt. Dabei lag die Lösung direkt vor der Haustür. Ein Mobilfunkladen, der ihnen noch gar nicht so richtig aufgefallen war. Dort gab es ein Angebot für zwei Monate, danach können sie immer wieder verlängern und die SIM-Karten auch in Laos und Kambodscha für einen vernünftigen Preis mit Internet und Telefonie nutzen. Sie kauften zwei Stück, legten diese in die Handys ein und hatten direkt eine gute Internetverbindung. Auch die Telefonie funktionierte einwandfrei. Wieder etwas geschafft!
Die restliche Zeit in Hanoi nutzten die beiden für das Aussuchen, Testen und Kaufen von zwei Motorrollern. Natürlich brauchen sie ein Fortbewegungsmittel, das sie durch die drei Länder bringt. Da Busse zu teuer und zu unflexibel sind – ein Auto ebenso – , entschieden sich die Deutschen für das Lieblingsgefährt der Einheimischen. So können sie hautnah das Land und die Leute kennenlernen und wie richtige Asiaten unterwegs sein. Ein weiterer Vorteil ist, dass ihnen überall schnell geholfen werden kann und sie nicht die Einzigen sind, die so reisen. In Hanoi kommen beispielsweise um die fünf Millionen Motorräder auf sieben Millionen Einwohner. Auf der Brücke, die zu ihrem Heimweg gehörte, zählten sie in einer Minute ganze 113 motorisierte Zweiräder! Vor lauter Smog war die Sonne nur sehr selten zu sehen. Aber wunderbar interessant sind die verschiedenen Möglichkeiten, das Moped zu bepacken. Dem Gewicht und dem Ausmaß des Gepäcks sind keine Grenzen gesetzt. Überlänge oder -breite gibt es selbstverständlich nicht und drei bis vier Mitfahrer sind kein Problem. Einzige Regel: ein Helm. Den kann man auch im Supermarkt für drei Euro kaufen, aber wichtig ist, dass irgendeine Nussschale auf dem Kopf sitzt.
In der Altstadt besuchten sie also die unterschiedlichsten Motorradhändler, ließen sich Zweiräder und Preise nennen und verglichen die Möglichkeiten, das Gepäck zu verstauen. Von der Tour durch Indien haben sie das Gepäckproblem noch im Hinterkopf. Der große Rucksack würde die Rückbank belegen und für den kleineren benötigte jeder von ihnen den Platz an den Füßen als Stauraum. Zweimal fuhren sie mit einem Angestellten quer durch die Stadt, um sich noch weitere Modelle zeigen zu lassen. Im Endeffekt blieben sie in einem Geschäft hängen, an dem sie zufällig vorbeigelaufen sind und mehrere zu ihnen passende Modelle gezeigt bekamen. Am nächsten Tag machten sie ein paar Testfahrten die Straße hinauf und hinunter, fanden einen ganz passablen Roller und forderten weitere Modelle zum Test an. Den ganzen Nachmittag verbrachten sie auf der Schraubergasse und hatten sich am Ende für zwei SYM Atilla entschieden. Sie feilschten um den Preis und zahlten ein paar Millionen Dong an. Bis zum darauf folgenden Tag wollte der Verkäufer nun die beiden Schmuckstücke aufpolieren, damit Deborah und Sven sie abholen konnten.
Es war keine Überraschung, dass bei der erneuten Ankunft am Laden nichts fertig war. Außerdem hatten sie noch das ein oder andere zu beanstanden. Also warteten sie wieder ein paar Stündchen, Zeit hatten sie ja. Es wurde geschraubt, getestet und wieder gewartet. Ständig war der Chef weg, der als Einziger etwas zu sagen hatte. Die Mechaniker verstanden kein Wort Englisch, aber mit Händen und Füssen konnten zwischendurch kleine Probleme beseitigt werden. Jetzt waren sie endlich so weit und bezahlten das restliche Geld. Es fehlte nur noch ein Schlüssel, der das Handschuhfach des einen Rollers öffnen konnte. Mehr als einmal probierten es alle Umstehenden mit dem normalen Schlüssel, doch das Schloss ließ sich betteln. Der Chef verkündete, dass er Deborah und Sven zu jemandem mitnehmen würde, der ihnen einen Schlüssel dafür machen kann. Dann war er plötzlich wieder weg. Es wurde schon dunkel, die beiden warteten mal wieder eine halbe Stunde und bekamen ein Freibier als Zeitvertreib angeboten. Fast wären sie einfach schon losgefahren. Auf einmal kam der Besitzer zurück, hatte schon wieder vergessen, worum es ging, erinnerte sich dann aber doch und sie fuhren endlich los. Es ging zunächst durch die vollen Gassen der Hauptstadt bis zur Tankstelle. Frisch aufgefüllt folgten die beiden Flitzer dem Mann mit den Beziehungen zur Schlüsseldame. Ständig bogen sie ab und fuhren tiefer in die Stadt hinein. Vor einer Ampel hielten sie endlich an der Kreuzung. Dort hockte eine Frau mit einer sonderbaren Maschine und tausenden von silbernen Schlüsseln unter einem Baustrahler. Der Chef zeigte ihr den Roller und das Fach und kam keine zehn Sekunden später mit einem nagelneuen Motorradschlüssel wieder. Dieser passte in beide Schlösser und tat seinen Dienst. Weil das so einfach war, beschlossen die Deutschen in diesem Moment, sich zwei Schlösser als Wegfahrsperre für die Reifen zu besorgen. Dann verabschiedete sich der Verkäufer und war weg. Den Heimweg schafften sie trotz der Rush-Hour sehr gut und waren froh, endlich die Weiterfahrt gesichert zu haben.
Einen nicht sehr lohnenswerten Ausflug machten die beiden am nächsten Tag zum Botanischen Garten der Stadt und zum Ho Chi Minh Mausoleum. Neben dem grauen Himmel wirkten die Sehenswürdigkeiten nicht viel farbenfroher und nach einer kurzen Besichtigung zog sich das Team Roller wieder zurück. Sie statteten ihrem Stammsupermarkt auch an diesem Tag einen kleinen Besuch ab, kümmerten sich um frische Wäsche und schauten einen Tatort vor dem Schlafengehen. In der Nacht würden sie bestimmt schon vom Fahrtwind und Verkehrschaos träumen.
Es kam der Tag der Wahrheit. Die erste Etappe lag vor ihnen. Um die 150 Kilometer wollten sie zurücklegen und am Abend die Insel Cát Bà mit gleichnamiger Stadt erreichen. Die Skrupel vor dem erstmaligen Bepacken der Roller waren erfreulicherweise unbegründet. Der Plan ging auf. Jeder Roller bekam einen großen Rucksack auf die Rückbank (wodurch leider das Fach unter dem Sitz und der Tankdeckel versperrt sind) und den kleineren Rucksack in den Fußbereich. Bequem sitzen war trotzdem noch möglich. Es ging los. Größtenteils führte die Strecke den Highway entlang, der auch von LKWs und einigen anderen Fahrzeugen genutzt wird. Im Vergleich zum indischen Verkehr war relativ wenig los, die Leute fuhren nicht so aggressiv, nicht so laut und insgesamt langsamer. Also alles in allem etwas entspannter. Nach ungefähr zwei Stunden wurden sie von der Polizei zur Seite gewunken. Sie zeigten ihre „Blue Cards“ vor, die Papiere der Roller, die auch zur Grenzüberquerung nach Laos und Kambodscha berechtigen. Schnell steckten die Polizisten, die kein einziges Wort Englisch sprechen konnten, die Karten weg. Der Uniformierte nahm Sven mit zum Auto und gebot Deborah, am Roller zu bleiben. Danach war Deborah zum Einzelgespräch dran. Angeblich sind sie zu schnell gefahren. Auf dem Highway wäre die erlaubte Höchstgeschwindigkeit bei 40 km/h. Natürlich hatten die Polizisten keinen Nachweis, also keine Geschwindigkeitsmessung und behaupteten willkürlich, dass die Touristen zu schnell waren. Und das mit Hilfe einer Übersetzungsapp! Beide gaben zurück, dass sie genauso schnell gefahren sind, wie alle anderen – so weit sie es den Polizisten mit Händen und Füßen erklären konnten. Jetzt behauptete der andere, dass sie sogar 80 km/h gefahren seien. Deborah und Sven lachten nur und zeigten auf ihre billigen Roller, die diese Geschwindigkeit fast nicht erreichen konnten. Die Polizisten merkten langsam, dass sie keine Argumente hatten und vor allem durch fehlende Beweise ihre sechs Millionen Dong (um die 200 Euro!) wohl nicht bekommen würden. Sven erspähte die wichtigen „Blue Cards“ auf dem Rücksitz des Autos, schnappte sich die beiden Teile und steckte sie kurzerhand ein. Zum Schluss probierten es die beiden Gesetzeshüter noch mit unzulässigen Führerscheinen oder fehlender Versicherung. Das Pärchen hörte gar nicht mehr hin, setzte in aller Ruhe ihre Helme wieder auf und fuhr davon. Fassungslos über so viel Dreistigkeit konnten sie nur die Köpfe schütteln und lachen. Vielleicht fahren sie beim nächsten Mal ohne Anzuhalten einfach weiter…
Nach einer weiteren Stunde stärkten sie sich am Straßenrand mit einer Nudelsuppe mit Rindfleisch und reparierten notdürftig die ersten kaputten Stellen an den Rollern. Der Auspuff von Deborahs Gefährt ist abgegangen und wackelte bei jedem Huckel gefährlich nach oben und unten. Auch der Sound war überdurchschnittlich laut, was durch ein Loch im Krümmer verursacht wurde. Mit kleinen Metallhaken und Zurrgurten fixierten sie das lose Stück am Rücksitz. Es hielt für die folgenden Stunden erstaunlich gut. Bis Hai Phong nutzten die beiden den Highway und fuhren dann durch die Stadt Richtung Cát Hai bis eine Warnleuchte für das Öl rot wurde. Beunruhigt suchten sie nach einem Schrauberladen, fanden auch gleich einen und zeigten das Problem. Der Ölwechsel dauerte nur zehn Minuten und sie bekamen eine Schraube für den Auspuff für zusammen nicht mal drei Euro. Und dabei hatte ihnen der Rollerverkäufer mehrmals versichert, einen frischen Ölwechsel gemacht zu haben… So richtig konnten sie ihm das zuvor schon nicht glauben.
Die Schraube am Auspuff hielt ganze zehn Minuten, dann fiel sie einfach ab. Naja, zumindest schafften sie trotz der aufkommenden Dämmerung den Weg über die Brücke bis auf Cát Hai und bekamen auch noch die letzte Fähre auf die Insel Cát Bà. Jetzt war es komplett dunkel, doch sie mussten noch eine gute halbe Stunde fahren. Sie zogen sich etwas wärmer an und rauschten über sehr verlassene Straßen bis in das touristische Hafenörtchen Cát Bà. Sie hatten es geschafft. Schnell fragten sie in unterschiedlichen Hotels nach den Preisen und entschieden sich für ein Zimmer mit Blick auf die Bucht. Dann gab es noch einen Hühnchen-Sandwich zum Abendessen.
Ein paar Nächte werden sie noch auf der Insel verbringen und die Bucht erkunden, bevor die Tour weitergeht. Hoffentlich ohne größere Zwischenfälle und Reparaturen.
Ihr dürft uns gern die Daumen drücken!
6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hallo ihr Zwei
heute ist eure tolle Karte angekommen. Vielen lieben Dank. sie hat ihren Platz am Kühlschrank schon gefunden. Ich hoffe es kommen noch ein paar Karten dazu.
Euch eine gute Fahrt mit euren Roller und Vorsicht vor der Polizei 😉
Liebe Grüße Vati
Hallo Bubi, schön, dass die Karte da ist! Da kannst du bei Hunger (also wenn die Kühlschranktür aufgeht) jetzt immer an uns denken 😉
Millionär müsste man sein…!
Coole Teile!
Liebe Grüße von Mutsch
Sind wir! Juhu!! (Aber leider nur kurz…heul!) Gruß an alle 🙂
Sehr cool mit den Rollern. Gibt es da das gleiche Problem mit dem Schlingern bei zu viel Gewicht hinten, wie bei den Enfields?
Mit den Polizisten habt ihr ja jetzt langsam Erfahrung 😉
Habt eine gute Weiterfahrt. Liebe Grüße aus Down Under
Hi, ja die Roller finden wir auch ziemlich herrlich. Hauptsache vorankommen. Ja mit dem Schlingern das haben wir auch, zumindest bei einer gewissen Geschwindigkeit, ist aber trotzdem viel besser als bei den Motorrädern in Indien (haben den kleinen Rucksack vorn, das hilft schon). Leider sind jetzt beide Tachos abgeschmiert, haben also keine Ahnung wie schnell wir sind oder wie weit wir schon gefahren sind 🙂 Danke euch, liebe Grüße zurück!