

Von Fledermäusen, Dürre und schlechten Straßen
Sie ziehen durch das Land, auf der Suche nach spannenden Dingen, die es zu entdecken gibt. Fünf weite Strecken, fünf verschiedene Unterkünfte, fünf neue Orte in den vergangenen elf Tagen. Irgendwie hatten Deborah und Sven sich die letzten Etappen mit den Rollern etwas anders vorgestellt, doch es kommt sowieso meist anders als man denkt. Von Siem Reap, dem schönen Touriörtchen bei den bekannten Tempeln von Angkor Wat, hatten sie sich mit einem Kinobesuch verabschiedet. Die Tickets waren ziemlich günstig und endlich gab es einen Film auf Englisch! „7 Tage in Entebbe“ verzauberte sie mit einer Story, die auf einer wahren Begebenheit basiert. Zuerst dachten sie, dass sie den Film alleine schauen würden, doch dann kamen immer mehr Asiaten in den Saal geströmt. Einer von ihnen schlief während des Films ein, ein anderer telefonierte lautstark und als am Ende das Licht anging, der Film aber noch nicht vorbei war, stürmten die Einheimischen so schnell wie sie gekommen waren wieder heraus.
Am nächsten Morgen packten sie ihren Kram auf die Roller und fuhren nach Battambang. Eigentlich gab es dort nicht viel zu sehen oder zu erleben. Einziges, aber ultimativ beeindruckendes Highlight war der ausschwärmende Strom von Millionen von Fledermäusen am Abend des zweiten Tages. Die beiden Reiselustigen machten sich gemeinsam mit einem der zwei Roller auf den Weg zu dem etwas außerhalb liegenden Berg. Den Roller parkten sie bei irgendeinem Tempel nebenan und liefen zur Höhle oder zumindest in die Richtung, in der sie glaubten, das Naturschauspiel zu Gesicht zu bekommen. Auf der typischen Asphaltstraße mit mehreren Hütten und kleinen Verkaufsständen an den Seiten kamen sie nach kurzer Zeit an vielen Plastikstühlen vorbei. Hier musste es zum touristischen Highlight nicht mehr weit sein. Als sie dann noch den Kanadier sahen, mit dem sie im gleichen Restaurant zu Mittag gegessen hatten, wussten sie, dass sie richtig waren. Er wartete schon eine Weile und tippelte ungeduldig mit seinem iPad vor dem in Sichtweite liegenden Eingang der Fledermaushöhle hin und her. Da aber noch eine gute Stunde Zeit war, so wie der Kanadier von den Einheimischen erfahren hatte, liefen Deborah und Sven noch ein bisschen herum. Die ständig in Benutzung befindliche Karte auf dem Handy zeigte einen Tempel und mehrere Höhlen auf dem Berg an. Sie kamen an eine Treppe, die hinauf führte, wurden aber sogleich von einem Mann in Uniform angehalten und zum Ticketschalter geschickt. Zwei Dollar sollte der Aufstieg für die Besichtigung des Tempels pro Person kosten. Natürlich galt der Preis wieder nur für Ausländer. Weil nur eine Stunde Zeit war und die inneren Bilderspeicher an buddhistischen Tempeln nach Angkor Wat nun erst einmal gefüllt waren, gingen die Deutschen zum großen Erstaunen des kambodschanischen Aufpassers jedoch weiter. Auch hier half wieder die Handy-Karte weiter, denn es sollte noch einen zweiten Weg ein Stück weiter hinten geben. Den probierte das Pärchen aus, wurde öfter von hügelaufknatternden Motorradfahrern gefragt, ob sie eine Mitfahrgelegenheit bräuchten, lehnten öfter ab und kamen nach 20 Minuten komplett durchgeschwitzt und ohne etwas bezahlt zu haben an der Spitze an. Für die Höhlen war die Zeit zu knapp, doch die Aussicht mit den kleinen Tempeln war Lohn genug. Nach ausgiebigem Rundumblick, kurzer Entspannung und kleinen Affenbegegnungen ging es wieder hinunter zu den anderen Schaulustigen. Die Plastikstühle füllten sich langsam mit größeren und kleineren Gruppen mit und ohne Guides. Getränke wurden bestellt und Regenschirme aufgespannt. Dann fixierten alle gebannt den Höhleneingang und nahmen die immer geschäftiger werdenden Fledermäuse ins Visier. Als alle Kameras startbereit waren, starteten auch schon die ersten mutigen Insektenfresser auf ihre allabendliche Streife durch die Reisfelder Kambodschas. Ungefähr 6,5 Millionen weitere Genossen folgten den ersten Tieren in einer geordneten Reihe, aus der keiner tanzen durfte. Verirrte sich ein Tier doch mal um einzelne Zentimeter allein ins Ungewisse, bemerkte dieses den Fehler sofort und schnellte eilig zur fliegenden Masse zurück. Eine Viertelstunde lang standen und saßen die Menschen mit offenen Mündern vor dem nicht enden wollenden Naturschauspiel und warteten auf die letzte Fledermaus, die die Höhle verlassen würde. Langsam wurde es dunkel und der Strom riss immer noch nicht ab. Deborah und Sven trennten sich von der schaulustigen Meute und den Hauptdarstellern des Spektakels, um nicht im Dunkeln die Straße zurück in die Stadt fahren zu müssen.
Tags darauf bekamen sie ein wunderbares Frühstück für wenig Geld mit kostenfreier Obstplatte und gekühltem Wasser für den Weg. Was ihnen bevorstand, ahnten sie in diesem Moment des köstlichen Glücks keineswegs. Die mittlerweile aufgebaute Routine beim Aufschnüren des Gepäcks auf die motorisierten Packesel wurde vom Sicherheitsmann des Hotels mit helfenden Handgriffen unterstützt. Dann hielten sie kurz beim nächsten Schrauberladen, um einen Ölwechsel machen zu lassen. Mit gewohnter Umständlichkeit wurde dem nicht englischkundigen Mechaniker bedeutet, was passieren soll. Das Öl wurde gewählt und der Preis verhandelt. Bevor der Mann dann alle benötigten Utensilien aus seiner äußerst chaotischen dunklen Holzbude zusammen gesucht hatte, verging wieder einige Zeit. Ein defektes Teil wurde eingetauscht, das zuvor noch nie Probleme gemacht hatte. Aber wenn der Fachmann dazu rät, hatten sie keine große Wahl. Nach getaner Arbeit bekam er seine Bezahlung, natürlich wollte er durch den Teileersatz etwas mehr Geld als vorher vereinbart. Dann hieß es nochmals handeln. Er bekam sein Geld, hatte natürlich keinen Cent zum Wechseln in der Tasche und fragte seinen Nachbarn nach etwas Wechselgeld. Endlich hatten sie es geschafft und fuhren eilig davon.
Die Eile war berechtigt, denn es ging nach kurzer Asphaltstrecke plötzlich auf Staubstraßen weiter. Kilometerweit. Sie hatten keine Wahl und mussten in dieser ausgetrockneten Dürre die Räder in der ratternden Spur halten und eine Staubwolke nach der anderen über sich ergehen lassen. Die Einheimischen fuhren an ihnen vorbei, als hätten sie die tollste Asphaltstraße unter sich. Ohne Rücksicht auf Verluste bretterten ganze Khmer-Familien auf ihrem einzigen Fortbewegungsmittel von Dorf zu Dorf. Bei kurzen Orientierungspausen tranken Deborah und Sven ihre Wasserreserven leer und hatten fünf Minuten später erneut einen trockenen Mund. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam es wie es kommen musste – es wurde noch schlimmer. Der Weg sah aus wie ein schlechtes Kunstwerk. Einem ausgespülten Flussbett ähnelnd reihte sich Schlagloch an Schlagloch, Pfütze an Pfütze, Schlamm an Schlamm und alles durcheinander. Hier sahen sie auf den gesamten vierzig Kilometern nur vereinzelt ein paar Roller; Autos konnten die Straße sowieso nicht passieren. Es ging bergauf und bergab. Meistens war gerade auf diesen schrägen Strecken die Lage besonders dramatisch. Eine einzelne Spur ragte in der Mitte auf, rechts und links davon tief ausgelutschte Löcher, in die man lieber nicht hineinrutschen wollte. Mit viel Gas, Schwung und Adrenalin bewältigten die Rollerfahrer in Schrittgeschwindigkeit eine Herausforderung nach der anderen. Immer wenn sie dachten, dass der Weg nun endlich besser werden würde, standen sie vor einer neuen kräftezehrenden Aufgabe. Die ersten großen Pfützen schafften sie noch zu zweit, aber später kreuzte ein Fluss den Weg. Unschlüssig schauten sie den wenigen, ob der Situation sehr belustigten, Passanten beim Manövrieren zu und suchten die beste Stelle für die Durchfahrt heraus. Die kleinen Rucksäcke am Fußbereich trugen sie zu Fuß hinüber, damit diese nicht nass wurden. Sven startete die wilde Fahrt mit seinem Roller und kam bis zur Mitte des Flusses, bis das Bike nicht mehr weiter wollte. Auf dem Grund lagen lose große Steine. Kurzerhand stieg auch Deborah mit ihren Turnschuhen in die Fluten und half beim Schieben. Bis zur ersten trockenen Station schafften sie es zu zweit. Die zweite Mulde war aber noch tiefer. Zwei Männer, die gerade selbst ihr traktorähnliches Gefährt anschoben, haben die Touristen entdeckt und eilten zu Hilfe. Gemeinsam schoben sie auch den zweiten Roller durch das erfrischende Nass und Deborah und Sven konnten endlich weiter fahren. Beim nächsten Dorf, das die Einsamkeit unterbrach, kauften sich die beiden eine kühle Cola und Wasser für den restlichen Weg. Sie brauchten für die rund vierzig Kilometer der sehr schlechten Straße insgesamt fünf Stunden Zeit. Kein Wunder, dass sie das Zieldorf erst im Dunklen erreichten. Dort war die Auswahl an Gästehäusern natürlich sehr überschaubar. Nach zwei unmöglichen Angeboten – das erste war zu teuer und der Besitzer sehr unfreundlich, das zweite schlicht unverschämt unschön – bekamen sie ein kleines Zimmer ohne Fenster, dafür mit Tonnen von Spinnenweben gezeigt. Egal, irgendwo mussten sie ja schlafen. Also luden sie ihr Gepäck in die dunkle Kammer und wollten sich zum Abendessen aufmachen. Dann ereilte sie das nächste kleine Problem, es gab nämlich keinen Zimmerschlüssel. Aber auch hier hatten sie keine Wahl, als zu vertrauen. Die Gruppe von Indern, die sich direkt vor ihrer Tür im Innenhof ein eigenes Abendessen kochte, machte ihnen mit ihren finsteren Blicken auch nicht gerade Mut. Schnell suchten sie sich ein Essen, kauften noch etwas Wasser und waren froh, dass ihre sieben Sachen bei der Wiederankunft noch beisammen waren. Die Nacht war sehr kurz und unruhig. Der kleine schüchterne Mann freute sich am nächsten Morgen über die umgesetzten fünf Dollar und Deborah und Sven mussten erstmal einen Mechaniker aufsuchen. Durch die ganzen Schlaglöcher hatte sich das Radlager stark verbogen, wodurch ein Roller die letzten Kilometer nur mit viel Gas und gut zureden geschafft hatte. Für die Reparatur suchten sie vier verschiedene Läden auf, erklärten ihr Problem immer wieder neu und wurden fleißig weiter geschickt. Entweder verstanden die Männer nicht, was kaputt war, konnten es nicht reparieren oder hatten schlichtweg keine Lust. Ein freundlicher Mann machte ihnen dann ein Angebot, kümmerte sich um Ersatzteile und reparierte alles ordentlich. Zwei Stunden später konnten sie endlich weiter. In der Zwischenzeit hatten sie sich für den Abbruch der Route durch die Berge entschieden. Noch so einen Offroadtrip würden die beiden Roller nicht überleben, die Deutschen wahrscheinlich auch nicht. So ging es den abzweigenden Highway wieder ein ganzes Stück zurück, bis die asphaltierte Straße in die richtige Richtung weiter führte.
Nach einer weiteren Zwischenstation mit Übernachtung erreichten sie tags darauf den Küstenort Sihanoukville, liebevoll „Schickimicki“ genannt. Nach stundenlanger Fahrt auf schnurgeradem Highway bei sengender Hitze freuten sie sich auf das Meer. Irgendwie wurde es aber nicht schöner, sondern immer abgewrackter, stinkiger und mülliger. Die Straße war ein kleines Stück vom Strand entfernt und führte dann um eine Biegung. An den Seiten tümmelten sich die Restaurants und Gästehäuser aneinander. Die eigentliche Stadt war aber ein paar Kilometer entfernt. Das Pärchen fragte sich überall nach einer Unterkunft durch und hatte bei den hohen Preisen, die durch die Neujahrsfeier der Khmer verursacht wurden, schnell keine Lust mehr. Jetzt galt es nur noch eine passable und bezahlbare Unterkunft zu finden. In der Stadt war es abstoßend dreckig. Sie fuhren letzten Endes zurück zum Strand und buchten das günstigste Zimmer für eine Nacht. Dann wurde es schon wieder dunkel. Am Abend liefen sie noch ein bisschen herum und beschlossen, das überteuerte und unschöne Örtchen am nächsten Tag schon wieder zu verlassen. Am Morgen gingen sie nach dem Frühstück noch am Strand entlang, der im Kontrast zum Rest der Umgebung sehr schön angelegt war und weißen Sand mit blauem Wasser zu bieten hatte. Trotzdem mussten die beiden weiterreisen und setzten sich zum vierten Mal in Folge auf die heißen Stühle. Nach 100 Kilometern genehmigten sie sich in Kampot einen Snack beim kambodschanischen Bäcker und eine gekühlte Flasche Wasser dazu. Nach weiteren 30 Kilometern erreichten sie Kep, eine Region am Meer in unmittelbarer Nähe zur vietnamesischen Grenze. Auch hier waren die Übernachtungspreise durch das „Khmer New Year“ sehr saftig und es verging viel Zeit, bis Deborah und Sven einen guten Platz zum Schlafen fanden. Die Zimmer mit Klimaanlage waren immer viel zu teuer, sodass die beiden nun die meiste Zeit auf der kleinen Terrasse vor ihrem Holzbungalow verbringen und drinnen unter dem Ventilator versuchen, die Schweißproduktion gering zu halten. Doch die Umgebung ist deutlich schöner. Viele Khmer sind hierher gekommen, um in reichlich Gesellschaft das neue Jahr auf ihre Weise einzuläuten. Unterwegs hatten sie einige Pick-ups mit Menschenmassen gesehen, zusammengepfercht wie Viehtransporte. Die Straßen des Zentrums sind gesperrt, die Menschen sitzen auf Matten und Stühlen auf den Gehwegen und am Meer und essen und faulenzen den lieben langen Tag. Was soll man bei den Temperaturen auch sonst machen?
Entweder geht es dann übermorgen schon weiter nach Phnom Penh oder erst ein paar Tage später. Bis zum 28. April haben sie Zeit, um die Roller in der Hauptstadt zu verkaufen. Dann heben sie ab, Richtung Indonesien!
PS: Achso da war ja noch was – Angkor Wat. Dazu bald mehr in einem separaten Bericht!
4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Das klingt ja wirklich abenteuerlich 😬 aber geil das die Roller durchhalten soweit. Liebe Grüße
Bleibt Tapfer, haltet durch!
Liebe Grüße Eure Mutsch
Hallo ihr Lieben,
das ist bei euch ja Stress und Abenteuer pur.
Jetzt seid ihr mit euren Rollern so gute Freunde geworden und habt so viel erlebt miteinander, das wird es wohl einen großer Abschiedsschmerz geben 😉
Gönnt euch noch ein paar Tage Ruhe bevor das nächste Land erkundet wird.
Liebe Grüße aus der Heimat Eure Ellis
Hallo, wir haben es mittlerweile nach Phnom Penh – an unser große Ziel – geschafft und sind sehr dankbar, dass die Roller uns so weit getragen haben! Mal schauen, ob wir einen Käufer finden. Der Abschied fällt auf jeden Fall schwer…vor allem, weil wir unser Gepäck dann wieder selbst tragen müssen 😀
Liebe Grüße!