

Wunderschön und abstoßend zugleich – incredible India.
Wer Indien besucht, wird irgendwann mit Sicherheit auch feststellen müssen, dass dieses Land einfach unbeschreiblich ist. Nicht dass man nicht fassen könnte, was man mit den Augen sieht, sondern es sind eher die mannigfaltigen Unterschiede zwischen verschiedenen Lebenssituationen, dem Alltag und der Mentalität, die einen immer wieder neu erstaunen lassen. So ergeht es unseren beiden Reisenden mit jedem neuen Tag und jedem Ort, den sie entdecken dürfen.
Am Mittwoch beispielsweise waren sie unterwegs, um indische Sim-Karten zu besorgen. Nach einem kleinen Fussmarsch zum klimatisierten Laden musste eine Nummer gezogen werden, um an einem freien Schalter bedient zu werden. Allerdings drängelten sich alle anderen ohne Ausnahme direkt nach Betreten des Ladens an den ersten Schalter und redeten ohne Punkt und Komma auf die Dame hinter dem Schalter ein. Dabei war es völlig egal, ob diese bereits die Anliegen weiterer vier oder fünf Leute klärte, mit Bankdaten und Fingerabdrücken hantierte oder Rufnummern abfragte. Bevor Deborah und Sven dann an der Reihe waren, weil sie wie gewohnt und etwas verschüchtert gewartet hatten, verging schon fast eine Stunde. Und damit nicht genug, denn angeblich waren genau zu diesem Zeitpunkt alle Sim-Karten bis auf eine einzige ausverkauft. Diese wurde natürlich mitgenommen, doch das Spielchen wird sich noch einmal wiederholen müssen.
Im gegenüberliegenden Süßigkeitenladen, der auch kleine Gerichte verkauft, deckten sie sich noch mit lokalen Spezialitäten ein und genossen einen herrlichen Dosa (fluffig-herzhafter Fladen) mit Zwiebeln und verschiedenen Soßen, serviert auf einem Bananenblatt.
Gestern konnte sich das Pärchen mit Charles treffen, einem ehemaligen Austauschschüler von Tranquebar und Pulsnitz, zu dem Sven ab und zu Kontakt hatte. Er begleitete die beiden zur St. Thomaskirche mit dem Bus, wobei während der Fahrt immer der Wind um die Nase wehte, denn Türen gab es nicht und die Fenster waren stets geöffnet. Nach der Besichtigung der großen, mit Holz ausgekleideten Kirche, bestellte Charles online ein Taxi, konnte direkt eingeben, wohin es gehen soll und bekam auch den Preis für die Fahrt schon angezeigt. Beim Warten auf dieses konnte unmittelbar nachverfolgt werden, an welcher Stelle der Stadt sich das Auto genau befindet – sehr modern und praktischer, als in Deutschland.
Das Gespann fuhr 45 Minuten auf rasanten Wegen mit viel Hupen und Drängeln durch die Straßen und erreichte schließlich den heiligen Hügel, auf dem zur Ehre des Jünger Thomas und dessen Märtyrertod eine kleine Kirche errichtet wurde und man nebenbei noch einen herrlichen Blick auf die Großstadt Chennai erhaschen kann. Nun musste Charles wieder auf die Arbeit, begleitete die Deutschen zurück in die Metropole und verabschiedete sich schließlich am Kapaleeswarar Tempel.
Dort schlenderten beide wieder einmal barfuss hindurch, entdeckten ständig neue bunt bemalte Hindugötter und schauten dem Beamten in Uniform beim Füttern der im Tempel lebenden heiligen Kühe zu. Am Ausgang wurden sie von hartnäckig bettelnden Kindern empfangen, die sie irgendwann enttäuscht zurücklassen mussten. Denn ja, das Thema Betteln ist kontrovers und vielschichtig, mit dem sich am besten jeder Tourist selbst auseinandersetzen sollte und dann eine individuelle Meinung findet.
Zum Abschluss des Tages liefen sie in Richtung Meer, um den Leuchtturm und die Gandhi-Statue zu bestaunen. Auf dem Weg schlug ein beißender Geruch nach Fisch und Abfall in die Nasen. Der Strand und die gesamte Umgebung war mit Müllbergen bedeckt. Zwischendrin lebten Familien, grasten Ziegen und spielten Kinder im oder auch mit den stinkenden Überbleibseln. Erst an der größeren Promenade lichtete sich das Straßenbild wieder. Zwar fand dort eine kleine Schlägerei unter ein paar Männern statt, doch Gandhi ging friedlich und mit einem Lächeln im Gesicht seiner Wege.
Zurück zur Unterkunft fuhren sie mit dem Zug, denn um 18 Uhr wurde es bereits wieder dunkel. Beim Abendessen in einem kleinen Restaurant um die Ecke feuerten beide Münder derart, dass Tränen in den Augen standen und die Nasen liefen, obwohl zu Beginn versichert wurde, dass dieses Hühnchen mit Reis doch absolut nicht scharf sei. Zumindest aktivierte das Mahl so wieder die Geister und motivierte zum Waschen der angefallenen Wäsche, bevor endlich das Bett aufgesucht wurde.
Heute, am Freitag, nahmen Deborah und Sven früh den Bus nach Mamallapuram im Süden von Chennai. Fahrpläne, Abfahrtszeiten und Tickets sucht man im Vorfeld vergebens. Wenn man irgendwohin möchte, stellt man sich einfach an die nächste Busstation und wartet. Kommt dann ein Bus, fragt man jemanden in der Nähe, wohin der Bus fährt und steigt ein, wenn die Richtung stimmt. Drinnen angekommen, ergattert man sich hoffentlich einen Platz und bezahlt beim Ticketverkäufer, der zusätzlich mitfährt und neben dem Verkauf auch die Aufgabe hat, lautstark mit einer Trillerpfeife die nächste Station anzukündigen und dem Busfahrer wiederum durch Pfeifen die mögliche Abfahrt zu signalisieren.
Überhaupt gibt es für alles und nichts eine Person, die angestellt wird. Vom Schuhputzer, Blumenbinder und Kokosnussverkäufer bis hin zum Chapati-Bräter und Saftmacher ist alles dabei. Jeder versucht so gut es geht, etwas Einkommen zu generieren. Da teure Automaten meist sowieso nicht repariert werden, ist dies die günstigste und für die Bevölkerung beste Variante.
In Mamallapuram bestaunten sie den ältesten Tempel der Hindus aus dem 8. Jahrhundert n. Chr. und durchschritten viele weitere kleine Tempel und Höhlen in friedlichem Ambiente. Das Highlight zum Schluss war der „Butterball“, der, als einzelner Fels auf einem Abhang, aussieht, als würde er sich jeden Moment lösen und herunter rollen. Natürlich ist dieser für Fotoposen sehr willkommen.
Und sonst so?
… die Menschen: sind stets freundlich und locker, haben ein Lächeln im Gesicht und freuen sich wie Kinder an kleinen Dingen des Lebens.
… die Religion: zeichnet die Menschen und ihren Lebensstil aus. Fast jeder Inder/jede Inderin ist einer bestimmten Religion zugewandt und lebt diese sichtbar für alle anderen aus.
… das Essen: ist sehr abwechslungsreich, dabei schon zum Frühstück scharf und wird vorzugsweise von einer Tasse Tee begleitet. Gegessen wird mit der Hand, dabei ist nur die rechte Hand zu verwenden, denn mit links…naja, ihr wisst schon.
… die Hygiene: lässt vielerorts zu Wünschen übrig, was an der mangelnden Versorgung von Wasser und Toiletten liegt, aber auch an fehlender Bildung in verschiedenen Themen und vor allem der nicht vorhandenen Müllabfuhr.
… die Kleidung: der Männer zeichnet sich durch lange Hosen und lockere Hemden aus. Frauen sieht man fast nur in bunten Saris oder mit leichten Hosen, einer längeren Tunika und Halstuch.
… die Straße: zeigt als Mittelpunkt des Lebens viele Gesichter und ist immer belebt, laut und farbenfroh. Kochen, Essen, Betteln, Kaufen, Diskutieren, Feilschen und Notdurft verrichten sind hier nur ein paar wenige Gesichter.
… das Klima: ist für unsereins sehr anstrengend durch die krasse Wärme und die prasselnde Sonne. Ausreichend Wasseraufnahme ist umso wichtiger. Es wird recht zeitig am Abend dunkel und am Morgen zeitig hell.
Im Moment können sich die beiden auf jeden Fall als angekommene Reisende bezeichnen, die die Umwelt in sich aufsaugen, genießen, was sie sehen, schmecken, riechen und erleben und jeden neuen Tag mit Spannung erwarten.
Was denkst du, welche Themen deutsche Touristen in Indien am meisten beschäftigen?
Oder hast du selbst schon Erfahrungen mit Indien gemacht?
Dann lass es uns in den Kommentaren wissen!
8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Wer hat denn so eine feinliterarische Ausdrucksweise, schön zu lesen!
frage ich mich auch der andere Pappi
Dankesehr ihr beiden Pappis, na wer wohl?! 😉
Hallo ihr Zwei
Gibt es auch schöne Pflanzen und Blumen dort für mich zu bestaunen? 😉
Mich würde mal die Schulbildung für Arm und Reich interessieren. Gibt es dort überhaupt eine staatliche Regelung oder kann sich nur wer reich ist Bildung leisten. Vielleicht auch für dich Debbie interessant als angehende Lehrerin 🙂
Viel Erfolg euch noch auf euer Erkundungstour!
Hi Du,
ja, es gibt eine Menge verschiedener Pflanzen, die bei uns eher selten sind oder gar nicht wachsen. Blumen sind durch das heiße Klima rar, manchmal sieht man aber bunte Blüten spriessen. Vielleicht haben wir im nächsten Beitrag ein paar Bilder für Dich.
Und was die Bildung angeht ist es so, dass es staatliche und private Schulen gibt. Letztere verlangen ein höheres Schulgeld, haben aber einen besseren Ruf und eine bessere Anerkennung für den weiteren Bildungsweg. Auch die Universitäten lassen sich gut bezahlen, wobei hier Unterschiede zwischen staatlichen und privaten Unis bestehen. Grundsätzlich werden die Kinder wie bei uns in Deutschland mit 6 Jahren eingeschult, jedoch ist die Analphabetisierungsrate recht hoch, in ländlichen Gegenden höher, als in den Städten. Die Kinder haben Schuluniformen und werden entweder getrennt geschlechtlich oder gemixt unterrichtet. Ähnlich wie in Deutschland bestehen bzgl. der Qualität und Verwaltung gravierende Unterschiede zwischen den Bundesstaaten.
Danke für Dein Interesse! Noch weitere Fragen? 😀
Danke für deine Informationen
War sehr interessant 🙂
Diese Pappis… . Ja, eure Berichte gehen ganz schön ab. Freue mich, von euch zu hören und ungefähr zu wissen, was ihr gerade vorhabt. Danke.
Daumen hoch! Als kleiner Vorausblick: morgen geht es nach Tranquebar, wo wir eventuell Freiwillige vom Leipziger Missionswerk treffen können. Dort werden wir bis zum Wochenende bleiben und dann weitertingeln über Madurai in den Südwesten, also Richtung Kerala. Gruß!