

Vom Wein zur Auster
Die Weinlese war mühsam. Wenn sie überhaupt stattfand. Es gab keine Garantie auf eine bestimmte Anzahl an Arbeitsstunden oder -tagen in der Woche. Die wetterfühligen Trauben mussten mit aller Sorgsamkeit behandelt werden, bevor es zur Schlachtung ging. Denn es war wirklich eine Schlacht, als um die 50 Arbeiter – ungefähr die Hälfte junge Backpacker, die andere Hälfte Asiaten und Afrikaner – mit ihren Eimern, Handschuhen und Scheren ausgerüstet über die Reihen herfielen. Manchmal sollten nur die vollen handgroßen Reben gepflückt werden, dann wieder jede einzelne Traube, die am Weinstock zu finden war. Um die zehn Leute bearbeiteten eine Reihe und stellten sich einen Meter voneinander entfernt auf, um die Trauben zu ernten. Wenn der eigene Bereich fertig war, lief man zum Ende der Schlange und begann wieder einen Meter neben dem letzten Mann zu pflücken. Man durfte nicht reden, hatte der harsche Grieche und Chef des Ganzen entschieden. Ein junger Mann wurde deswegen direkt gekündigt. Sonst hatte man bei dieser Arbeit nicht sehr viel auszustehen. Die Sonne brannte nicht zu heiß, die schweren Eimer wurden von den Eimerjungen weggetragen und durch leere Eimer ersetzt und bis auf ein paar Schmerzen im Rücken durch die doch etwas ungünstige Arbeitshöhe ging die Zeit meist rasch vorbei. An einem Tag arbeiteten sie in zwei bis drei unterschiedlichen Weinfeldern von den Weingütern, die die Arbeiter bestellt hatten. Aber in den drei Wochen, die Deborah und Sven in und um Penola verbrachten, konnten sie lediglich sechs Tage arbeiten, obwohl die Fläche an Weinfeldern unglaublich groß war und über 20 Weingüter dort ansässig waren. An den anderen Tagen war es regnerisch oder die Handlese für die Weingüter dann doch zu teuer. Dies wurde sowieso nur für die besten Weine gemacht. In der Touristeninformation erklärte ihnen die Frau am Tresen, dass die Handlese nur dafür da sei, dass ein verschwindend geringer Teil dieser Trauben in viele Weine gemischt wird, um auf dem Etikett „handgelesene Trauben“ vermerken zu können. Wie viel Wahrheit in dieser Behauptung steckt, konnten die Deutschen allerdings nicht herausfinden.
Die Zeit lief ihnen davon. Im Hinblick auf den Antrag für das 2. Visum konnten sie sich nicht mehr viele Tage ohne Arbeit leisten. Sie fragten die Arbeitgeber, ob die nächsten Wochen besser werden würden, was diese ihnen natürlich zusagten. Trotzdem suchten sie an ihren freien Tagen parallel nach einer anderen Arbeit. In Mount Gambier verbrachten sie dafür viele verzweifelte Stunden in der Bibliothek und schrieben sich ein paar Nummern heraus, die sie anrufen wollten. Die Hoffnung war nicht groß, zu viele Backpacker waren in der Region ständig auf Arbeitssuche und die meisten von ihnen suchten ebenso im Farmbereich auf dem Land, weil sie genauso wie Deborah und Sven ihr zweites Visum beantragen wollten. Auf einer Internetplattform, die viel von Australiern genutzt wird, hat Sven eine Anzeige gefunden. Dort wurden Arbeiter für eine Austernfarm gesucht. Beziehungsweise war eigentlich nur die Rede von einem Arbeiter. Die Farm lag gute 1100 Kilometer von ihrem jetzigen Standort entfernt, doch wenigstens war sie in der richtigen Richtung, nämlich Richtung Westen an der Südküste Australiens. Deborah rief also einfach mal an und stellte sich und Sven vor. Bruce, der Chef der Farm, hatte einige Fragen und ließ sich den Lebenslauf der beiden schicken. Er fragte viel zu ihrer körperlichen Fitness, weil die Arbeit natürlich anstrengend werden würde. Dann telefonierten sie noch einmal und hatten ein paar Minuten später einen Job. Was für eine Freude! Weil ein Arbeiter in zwei Wochen geht, war es auch kein Problem, dass sie als Pärchen anfangen wollten. Auch die Lage war natürlich vielversprechend. Wer lebt denn während er arbeitet nicht gern am Meer?
Jetzt hieß es schneller Aufbruch. Der Weg war ja doch ziemlich weit und unterwegs wollten sie sich noch in Adelaide umschauen. Ein letztes Mal fuhren sie nach Penola und verabschiedeten sich gebührend von der Coonawarra Weinregion mit zwei umfassenden Weinproben. Vom leichten Weißen ging es über Roséwein zu den jungen und alten starken roten Weinen. Manche Kostproben waren umwerfend. Drei Flaschen schafften es in die engere Auswahl und wurden mitgenommen. Dann ging es durch unbewohntes Land an Salzseen und Nationalparks vorbei. Auf der linken Seite blitzte ab und zu das Meer durch, von weißen Sanddünen abgegrenzt. Einen Tag später kamen sie Adelaide immer näher. Vom hügeligen Highway ging es dann kilometerweit bergab auf Meereshöhe. An einem kleineren Sportplatz stellten sie die Tilly ab und verbrachten die Nacht in der Stadt. Dann hatten sie ein paar Stunden für einen Stadtrundgang. Deborah und Sven begannen am Central Market mit seinen asiatischen Supermärkten und den australischen Köstlichkeiten und Delikatessen. Weiter ging es durch den Botanischen Garten mit einem Regenwaldhaus und vielen Kakteen zum Weincenter. Dort konnten die Deutschen ihre praktischen Erfahrungen durch theoretisches Wissen in einem kleinen Museum erweitern. Über die Universität gelangten sie zur Art Gallery, die moderne und klassische Kunst durch eine gekonnte Zusammenstellung der Stücke interessant in Szene setzte. Damit war der Rundgang beendet und die Fahrt wieder frei.
Die folgenden drei Tage brachten sie bis nach Smoky Bay, wo sie ihren neuen Arbeitgeber finden würden. Landschaftlich wurde es sehr trocken und die Weite war unbeschreiblich. Es sah ein bisschen aus wie im Wilden Westen.
Der kleine Küstenort zählt nicht mehr als 300 Einwohner, allerdings machen viele australische Touristen hier Urlaub. Die Bucht und auch die umliegenden Örtchen sind bekannt für die guten Angelmöglichkeiten. So haben die meisten Urlauber ihr Boot dabei und fahren jeden Tag zum Fischen hinaus auf das Meer. Der nächste größere Ort liegt 45 Kilometer entfernt (um die 2300 Einwohner). Zumindest gibt es in Smoky Bay einen kleinen Laden, einen wunderschönen Steg, der weit hinaus ins Wasser führt und einen tollen Strand mit super klarem Wasser. Der blaue Himmel und das weite Meer überzeugten Deborah und Sven schon am ersten Tag, eine Weile länger zu bleiben.
Was wir denn nun auf dieser Austernfarm machen, erfahrt Ihr im nächsten Bericht! Frohe Ostern und eine schöne Zeit Euch!
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ein traumhafter Arbeitsort, Glückwunsch zum neuen Job!
Liebste Grüße Eure Mutsch
Interessant, wie das mit der Weinernte funktioniert. Die großen Behälter mit den geernteten Beeren geben ein sehr schönes Bild ab!
Viele Kilometer fehlen euch ja jetzt nicht mehr, bis ihr wieder an eurem Startpunkt (Perth) seid!? Dann habt ihr den Kontinent einmal durchfahren, sogar im Uhrzeigersinn.
Viel Erfolg bei Ernte Teil 3!
Auf unserer Australienkarte fehlt nur noch ein gefaltetes Rechteck, das wir durchfahren müssen, um den Kreis zu schließen 🙂
Ja wir haben es hier wirklich sehr schön! Am nächsten Wochenende mehr zu unserer jetzigen Arbeit!
Liebste Grüße ihr Lieben!