

Aus aktuellem Anlass wählerisch.
Indien ist kontrovers, das wurde bereits festgestellt. Unterwegs sind die Eindrücke so mannigfaltig, dass in beinahe jeder Situation ein Widerspruch entsteht, der unauflösbar scheint. Aber was macht das mit fremdländischen Besuchern?
Ganz einfach, entweder man zermartert sich permanent den Kopf, warum und wieso das und jenes so ist und passiert oder man versucht, sich in die Mentalität der Menschen einzudenken, Hintergründe zu verstehen und frei nach dem indischen Motto „iss, trink und hab Spaß“ die Gegebenheiten zu akzeptieren, ja mit einem Lächeln abzutun.
Eventuell schon in Stadium zwei angekommen, begaben sich Deborah und Sven in der vergangenen Woche in allerhand neue Abenteuer. Sehr eindrücklich war dabei der letzte Tag in Chennai, an dem die beiden zum Mittagessen bei Charles und Jeeva zuhause eingeladen waren. Dort wurden sie sehr herzlich empfangen, umsorgt von vorn bis hinten und vom Feinsten verköstigt. Angefangen vom selbst gemachten süßen Appetizer über Reis mit allerhand unterschiedlichen Soßen und Beilagen bis zum Nachtisch mit herzhaften und fruchtigen Anteilen war alles vertreten. Zur Kaffeezeit gab es einen typischen indischen Chai zum dahinschmelzen und geschälte Äpfel und Kuchen. Natürlich ist so ein privater Besuch für alle Parteien sehr aufregend und spannend. Die Zeit zwischen den üppigen Mahlzeiten nutzen sie, um sich gegenseitig über ihr Leben auszufragen.
An den darauffolgenden Tagen wurde Pondicherry, eine Stadt unter französischem Einfluss durch die ehemalige Kolonialzeit, erkundet. Dort erlebten sie die musikalische Darbietung einer Sitargruppe (gezupfte indische Gitarre) und schlugen sich nebenbei die Bäuche mit gerösteten Maiskolben, frittiertem Blumenkohl, gebackenen Bananen und gebratenen Nudeln mit Hühnchen voll.
Außerdem konnte der Manakula-Vinayagar-Tempel bestaunt werden, der mit einem Elefanten am Ein- bzw. Ausgang ausgestattet ist, um die Besucher mit einem „Rüsselschlag“ zu segnen. Sehr farbenfroh und aufwendig ist dieser Tempel gestaltet, duftet stets nach Räucherstäbchen und die Gläubigen kommen, um ihre Gaben loszuwerden und den Segen mit einem Segenszeichen auf der Stirn zu erhalten. Durch die Stadt ging es mit Leihfahrrädern, die das indische Verkehrssystem hautnah erfahrbar machten. Da mussten sie ganz schön aufpassen und sich nicht davon stören lassen, dass keine laute Hupe am Fahrrad vorhanden war, die sie natürlich sehr gern eingesetzt hätten. Nur auf der wunderschön angelegten Strandpromenade, die abends für den motorisierten Verkehr gesperrt wird, ließ es sich problemlos entlang radeln.
Von Pondicherry aus ist es nicht weit bis nach Auroville. So machten sich die beiden auf den Weg dorthin mit einem Bus, den sie am Busstand durch Herumfragen ergattert hatten. Auf der Fahrt ließ die übermäßig laute Musik ihre Trommelfelle erzittern und sie waren froh, dann bald wieder aussteigen zu können. Nach einer kleinen Motorrikschafahrt, bei der hart um den Preis gehandelt werden musste, sich erst bei drohendem Entschwinden der Fahrgäste die Rikscha doch in Bewegung setzt und ein geringeres Entgelt angeboten wird, kamen sie am Besucherzentrum von Auroville an.
Da ausser den Angestellten der Cafeteria noch kein Mensch zugegen war, gönnten sich Deborah und Sven zunächst ein kleines Frühstück. Auroville ist eine internationale Stadt mit 2072 Einwohnern aus 54 Nationen, die die Vision teilen, in Frieden und Harmonie miteinander zu leben. Gegründet wurde die Stadt im Jahr 1968 durch „die Mutter“ und mit der Vision von Sri Aurobindo ausgestattet. Dabei machten die Menschen Brachland urbar und bauten den Matrimandir, ein riesiges, goldenes, rundes Gebäude für Meditationen und Yoga. Auroville möchte allerdings keine Religion darstellen oder praktizieren, sondern den Bewohnern helfen, ihr Bewusstsein auf spirituelle Art und Weise zu finden. (mehr zu Auroville auf www.auroville.org)
Nach einem kleinen Einführungsfilm, der leider nur den Bau des Matrimandir zeigte, kann man sehr schön durch das weitläufige Gelände spazieren und Einwohnern jeden Alters und jeder Hautfarbe beim Herumfahren mit Rollern oder Motorrädern beobachten. Die Atmosphäre ist durch die Sauberkeit und Stille (zumindest abseits der Straße) sehr schön. Natürlich war auch der Matrimandir an sich beeindruckend, obwohl das Paar ihn nur von aussen betrachten konnte, da Anmeldungen am Vortag nötig sind, um hinein zu gelangen.
Den Rückweg zur Hauptstraße bewältigen sie zu Fuss, wobei das GPS des Handys leider nicht mit den örtlichen Wegen korrespondieren wollte und sie des Öfteren zurück mussten, um einen anderen Weg auszuprobieren, der meist genauso hoffnungslos im nichts endete. So leerte sich der Wasservorrat von ganz allein. In Auroville kann dieses jedoch nicht gekauft werden, da ausser im Besucherzentrum kein Geld kursiert. Also machten sich Deborah und Sven sehr flink auf den Weg in das nächste Dorf und stillten ihren Durst mit literweise Limonade und gekühltem Wasser. Im nächsten Laden erstanden sie Nudeln und Ketchup für das Abendessen, fuhren mit dem Bus wieder nach Hause und überbrückten die heissen Stunden des Tages mit einem Mittagsschläfchen. Danach ging es mit den Rädern nochmal in die Stadt, um eine weitere Sim-Karte zu kaufen, was diesmal zum Glück problemloser und schneller ablief. Wieder in der Unterkunft angekommen, wurde der Gashahn des Kochers auf der Dachterrasse angedreht, die Nudeln in das heiße Wasser gegeben und schließlich mit Ketchup verspeist. Zum krönenden Abschluss des Tages schauten sie sich den letzten Tatort an und fühlten sich dabei wie auf der Leipziger Couch im heimischen Wohnzimmer.
Nun, in Madurai angekommen, nach zehn Stunden Bus und Bahn mit vielen Wartepausen und ebenso vielen Eindrücken von Landschaft, Menschen und Tieren, kann auf die Zeit in Tranquebar zurückgeschaut werden. Auch dorthin gelangten sie mit dem Bus, wurden im Spiritual Centre der TELC (Tamilisch Evangelisch-Lutherische Kirche) aufgenommen und trafen sich in der Missionsstadt Ziegenbalgs als echte Pulsnitzer, der Geburtsstadt von Ziegenbalg, mit den Freiwilligen David und Jasmin zum Strandspaziergang und Abendessen. Den Sonnenaufgang, sowie das neue Ziegenbalg-Museum konnten sie sich natürlich auch nicht entgehen lassen, genauso wie das Dänische Fort, das direkt am Strand vor allem durch seine Lage besticht. Ständig von freilaufenden Hunden begleitet, die treuherzig auf beide warteten und gegen Tiere aus anderen Rudeln verteidigten, liefen sie das letzte Mal am Strand entlang, stets auf die schnellen Krabben achtend und an Badegästen in Vollmontur vorbeischlendernd.
In Madurai wird für beide die Zeit bis Dienstag schnell verfliegen, dann geht es weiter Richtung Westen. Was sie hier erleben werden, verrät euch der nächste Beitrag.
P.S.: Wer wählen geht, ist klar im Vorteil.
6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Danke für die Sonntagmorgen Lektüre. War wieder sehr interessant.
Hallo Sven, gab es Veränderungen in der Missionsstadt seid deinem letzten Besuch vor vielen Jahren? Was haben die Freiwilligen dort für Aufgaben?
Euch noch eine schöne Zeit dort!
Hallo, also viele Veränderungen konnte ich nicht unbedingt feststellen. Das Dänische Fort wurde neu gestrichen und wir konnten auch das Museum darin besichtigen, das konnten wir damals glaube ich nicht. Sonst ist die große Neuerung die Eröffnung des Ziegenbalg-Museums, dass du auf dem einen Bild sehen kannst. Dafür ist die Jasmin aus Deutschland zuständig, Sie ist die Kuratorin dort. David ist der aktuelle Freiwillige vom LMW und er ist im Boys-Hostel eingesetzt. Am Vormittag hat er noch nicht so viel zu tun und Nachmittags bis Abends kümmert er sich mit um die Jungs, die von der Schule gekommen sind und im Hostel (eine Art Internat) leben. Er ist noch ganz frisch, erst seit zwei Wochen da. Ansonsten war es sehr interessant, noch mal da gewesen zu sein.
Hallo Ihr kleinen Nötzi`s!
Nun will sich Mami Angela doch auch mal öffentlich zu Wort melden.
Wünsch Euch eine schöne Woche! Da seid Ihr nun gerade drei Wochen weg und schon wandelt Ihr auf heimatlichen Spuren.
Ich hoffe, Ihr habt kein Heimweh!?
Seid gedrückt von Mutsch
Hallo Mutti,
danke für Deine Meldung und die Wünsche!
Ja, wir müssen ja die Indien-Deutschland-Beziehungen aufrechterhalten 😉
Was das Heimweh angeht sind wir noch nicht geplagt, wir sehnen uns nur nach einem richtig deutschen Abendbrot 🙂
Liebe Grüße an alle!
Hallo hier der Vati und Martina, schlecht geht`s also nicht, sehr erfreulich!
Viel Durst bei viel Hitze, was?
Ja die Hunde wären auch nicht meine Welt,verscheucht die Tölen!
Hab heute Pilze geholt, gab aber nur alte.Freuen uns mit für euch!
Heyho, joa uns gehts gut.
Zum Glück schwitzen wir das ganze Wasser gleich wieder raus, sonst müssten wir ja ständig auf Toilette 😉
Mit den Hunden kommen wir schon klar, da versteckt sich Sven meist hinter mir 🙂
Lasst es euch schmecken!
P.S.: neuen Artikel schon gesehen?