

Nase zu und durch
Scharfer Reis zum Frühstück und schwarzer Sandstrand erwartete sie mit dunklen Regenwolken an ihrem letzten Ort auf der Insel Java. Den schwierigen Namen Banyuwangi konnten sie sich bis zum Schluss kaum merken. Das Pärchen kam in der Nacht an. Nach einer achtstündigen Zugfahrt, eingeklemmt zwischen Gepäck und Beinen fremder Menschen, waren sie froh, als sie endlich wieder frei treten konnten und schleppten ihre Rucksäcke Richtung Ausgang. Eigentlich wollten sie über die Taxiapp einen Fahrer für den Weg zur Unterkunft rufen, allerdings funktionierte das mobile Internet ihrer indonesischen SIM-Karte mal wieder nicht. So mussten sie mitten in der Nacht ein Taxi auftreiben, einen guten Preis verhandeln und dem Mann verständlich machen, wo sie hinwollten. Doch diesmal kam es besser als gedacht. Die Menschentraube am Ausgang war chaotisch, nur ein Detail stach heraus und das war ihr Name. In großen Lettern stand „Deborah“ auf einem Schild, das ein Mann in die Höhe hielt. Sie folgten ihm bis zu seinem Gefährt und wurden direkt in die Unterkunft gefahren. Was für ein Service zu später Stunde! Dann konnten Deborah und Sven auch gleich einchecken und schlafen bis sie zum Frühstückstisch gerufen wurden.
In Banyuwangi wollten sie vor allem eins, nämlich den nahegelegenen Vulkan Ijen besteigen. Als einer unter 38 Vulkanen auf Java macht er sich durch ein einzigartiges Naturschauspiel einen besonderen Ruf. Nämlich Schwefel. Gasförmig tritt dieser an die Erdoberfläche, wird zur Abkühlung durch Rohre geleitet und lagert sich dann in fester Form wieder ab. Arbeiter, die einen der härtesten Jobs der Welt verrichten, tragen den gelben Rohstoff ab und transportieren ihn zu Fuß mit bis zu einhundert Kilogramm Gewicht pro Fuhre den Berg hinauf. Zweimal am Tag! Weitaus bekannter ist jedoch das Phänomen, das durch die Reaktion von Gasen und Schwefel an der Luft entsteht. Das blaue Feuer! Dafür kommen die Touristen. Getoppt wird das Ganze durch das sogenannte „größte Säurefass der Welt“, den türkisblauen schwefellastigen Kratersee des Vulkan Ijen. Deborah und Sven waren vor ihrer Tour schon überzeugt von dem Abenteuer, das sie erleben würden. Um das blaue Feuer zu sehen, mussten sie natürlich in der Nacht starten, denn nur bis fünf Uhr am Morgen ist das Feuer für das menschliche Auge sichtbar.
Es würde also eine Mischung aus romantischer Nachtwanderung mit giftigen Schwefelgasen und blauen Feuerschwaden werden. So hatten sich die beiden das vorgestellt. Den Roller konnten sie gleich von der Unterkunft mieten und machten sich damit zur nächsten Mitternachtsstunde auf den Weg. Sie waren dick eingepackt, da es dort oben recht kalt werden könnte und hatten ein kleines Frühstück und jede Menge Wasser dabei. Die Fahrt zum Ausgangspunkt der Tour dauerte ungefähr eine Stunde. Verlassene Straßen führten durch kleine Dörfer und dichte Dschungelwälder. Irgendwo hatten sie gelesen, dass es hier sogar noch ein paar wilde Tiger geben sollte. Plötzlich bekamen sie ein paar Tropfen ab und nahmen die schweren Wolken über sich wahr. Das hatte ja noch gefehlt. Tapfer fuhren sie weiter, der Regen wurde stärker und stärker. Sven war schon komplett nass. So schnell wie der Regen begonnen hatte, hörte er weiter oben am Berg auch wieder auf und die Sterne zeichneten sich klar am Nachthimmel ab. Pure Erleichterung machte sich breit, die Tour war gerettet! Mitten auf der Straße standen dann ein paar Männer mit Tickets in der Hand. Dies war der einzige Weg zum Ijen. Sven hielt an und sie wurden gefragt, wo sie denn hinwollen. Natürlich zum Ijen. Einer der Männer fragte: „Ticket Ijen…ok?!“ Sven überlegte: „Äh, no, not ok.“ Zurück kam: „Ok. Raincoat?“ Den brauchten sie dann auch nicht mehr und die selbst ausgedruckten Tickets konnten die Männer vielleicht bei den nächsten Touristen in Geld umtauschen.
Am Parkplatz machten sie sich fertig und wollten starten. Es war ein Uhr und genügend Zeit, um den Berg zu erklimmen, den Krater hinab zu kraxeln und den Sonnenaufgang an der Spitze zu sehen. Aber der Weg war gesperrt. Was war denn jetzt los? Das Schild davor zeigte an, dass erst um vier Uhr geöffnet werden würde. Verunsichert fragten sie die nebenstehenden Männer, Verkäufer und Guides. Diese erzählten etwas von drei Uhr. Wohl oder übel mussten sie nun zwei Stunden warten und die Verzögerung des Zeitplanes in Kauf nehmen. In der Zwischenzeit tranken sie Kaffee und liehen sich Gasmasken aus. Sie fragten den Mann, der ihnen den Kaffee serviert hatte, ob er auch Gasmasken verlieh. Dieser meinte kurz: „Mama have.“ Anscheinend war der Verleih der Masken in fester Hand seiner Mutter.
Nach einer gefühlten Ewigkeit durften sie endlich ein Ticket kaufen und die Bergbesteigung beginnen. Sie setzten ihre Taschenlampen auf den Kopf und liefen los. Die bereits anwesenden Touristen, die mit Jeeps her gekarrt wurden, hechteten unermüdlich den gut ausgebauten, aber schweißtreibend steilen Weg hinauf. Es ging zwei, drei mal kurz bergab, sonst nur bergauf und das zwei Stunden lang. Deborah und Sven gaben ihr Bestes und wechselten sich mit dem Rucksack ab. Ein Minenarbeiter lief mit ihnen in seinen schweren Gummistiefeln hinauf, erzählte ein bisschen über seine Arbeit und übersetzte ein paar Worte auf Indonesisch. Als sie der Spitze näher kamen, hatten sie den stechenden Geruch des Schwefels schon in der Nase. Dann war es Zeit, die Gasmasken aufzusetzen und in den Krater hinab zu steigen. Jetzt wechselte der Weg sein Gesicht, es wurde sehr steinig, rutschig und uneben. „Hati hati“ war angesagt – „Vorsicht!“. Die Touristen kamen nur langsam voran. Durch den späten Start hatten sie den Sonnenaufgang am Gipfel schon abgeschrieben und konzentrierten sich nun auf das blaue Feuer und den Krater, der sie mit dicken Rauchschwaden erwartete. Einige Minenarbeiter waren schon am Werk, leuchteten mit ihren schwachen Lampen auf den Boden und hieben große Stücke des flächendeckenden Schwefels ab. Dann schichteten sie die Schwefelstücke in ihre Körbe und machten sich später auf den langen Weg nach oben. Alles ohne Gasmaske. Deborah und Sven fragten einige Arbeiter, warum sie denn keine Maske trugen und hatten schon die richtige Antwort vermutet – zu teuer. Das kauften sie den Arbeitern nicht richtig ab, konnten aber an dem Umstand nichts ändern. Vielmehr wird die Maske eine gute Behinderung bei der schweren Arbeit sein.
Nun schauten sie sich nach dem Feuer um. Vor lauter Rauch und Felsen war die Landschaft nur schwer zu erkennen. Zwei kleine Flammen gab es aber doch und diese wollten näher betrachtet werden. Das Herankommen und Fotografieren erwies sich als recht schwierig und Deborah und Sven waren etwas enttäuscht, dass sie nur die beiden kleinen Flammen sehen konnten. Die Einheimischen meinten, dass dies am Regen lag, der ein paar Tage zuvor auch hier oben heruntergekommen war. Langsam wurde es um sie herum heller. Im schwachen Licht der Morgendämmerung wurde die krasse Natur erstmal sichtbar. Die steilen Felsabhänge mit den ausgespülten Furchen und der abenteuerliche Weg, den sie heruntergekommen waren, zeigten sich majestätisch in ihrer Pracht und mündeten in den harmlos wirkenden Kratersee, der mit zunehmendem Licht seine schöne Farbe intensivierte.
Den See wollten sie gern von oben anschauen und tippelten gemeinsam mit ein paar schwer beladenen Arbeitern den Weg hinauf bis auf den Bergrücken, wo die Sonne an neugierige Wanderer schon ihre warmen Strahlen verschenkte. Ultimativ schön zeichnete sich der nebenstehende „Mount Raung“ unter der Wolkendecke wie ein Muffin unter einer Sahnehaube ab. Auch der Kratersee erschien von oben in einem ganz anderen Licht und zeigte sich neben den schroffen Felsen in einzigartiger Natur. Deborah und Sven nahmen ihr kleines Frühstück an diesem wundervollen Ort zu sich und machten sich dann langsam zum Aufbruch bereit. Dieses mystische Erlebnis werden sie schon wegen des beißenden Geruches nicht so schnell vergessen!
Am Abend nutzten die beiden nochmal den Roller und die überaus günstigen Benzinpreise (umgerechnet 0,47 Euro pro Liter), um in der Gegend herumzufahren und den Strand aufzusuchen. Für einen kleinen Obolus durften sie parken und zum Wasser gehen. Der schwarze raue Sand überraschte sie. Hier konnten sie schonmal der gegenüberliegenden Insel Bali winken. Auf bald!
Auch am folgenden Tag rollten sie durch die umgrenzenden Dörfer und suchten nach Wasserfällen. Öfter mussten sie quer durch den Dschungel marschieren und Flüsse überqueren, aber es lohnte sich. Am Ende des Tages hatten sie drei verschiedene Wasserfälle und einige Kaffeeplantagen gesehen und sich herrlich in der Natur entspannt.
Die Überfahrt nach Bali verlief tags darauf ereignislos und mit der behäbigen Fähre recht langsam. Sie stellten die Uhren eine Stunde vor und hatten wieder einen Zeitunterschied von sechs Stunden zur geliebten Heimat. Die beiden gingen zur nicht weit entfernten Busstation und machten zwei Plätze in einem kleineren Bus nach Denpasar klar. Eine halbe Stunde später startete dieser und sammelte unterwegs ständig neue Fahrgäste ein. Andere Passagiere wurden an unterschiedlichen Orten abgesetzt. Der Busfahrer entschied sich für einen eigennützigen Stop, um an einem kleinen Tempel seine Blumen und Gaben loszuwerden. Später noch einmal, um sein Geschäft zu verrichten, aber an den öffentlichen Raststätten bretterte er vorbei, um Zeit zu sparen. Die Insassen hielten sich also zurück und waren nach vier Stunden Fahrt von dem Gezuckel, den ständigen Stops, der lauten Musik mit Videoübertragung und der drückenden Blase erlöst. Als sie ankamen, war es schon dunkel. Die kulinarische Entschädigung kam als hervorragende Pizza daher und machte die Strapazen des Tages wieder gut.
Eine Woche lang werden Deborah und Sven nun in Denpasar verbringen, bevor sie für circa zwei Wochen das Land verlassen. So verlangen es die Visabestimmungen, denn die ersten 30 Tage in Indonesien sind nächste Woche schon vorüber. Aber sie kommen ja wieder und werden dann nochmal so viel Zeit auf Bali verleben können. Warum auch nicht?!
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hallo Ihr Schnüffler! Ihr erst wieder, Touri`s mit Gasmaske…!
War bestimmt ein überaus schönes Erlebnis! Lasst es Euch gut gehen und bleibt behütet!
Eure Mutsch
275 gereiste Tage! Kommt mir eher wie 275 Jahre vor. Wir vermissen euch! Der See sieht hammermäßig auch und ihr mit Gasmasken auch! Viel Spaß noch ihr zwee kleenen Eier!
Danke ihr Mädels, das wäre auch das richtige Abenteuer für euch gewesen: nachts durch die Gegend düsen, auf einen Vulkan kraxeln, runter zum Krater und natürlich das tolle Accessoire, die Gasmaske! Die Landschaft war einfach umwerfend! Denken an euch, lasst es euch gut gehen.