

Es zieht uns immer wieder zurück nach Bungaree.
Wir zogen ein! In unser blaues Holzhaus am Meer. Keine zehn Minuten trennten uns von der Küste in „Indented Head“ mit wundervollem Blick in die blaue Bucht „Port Phillip“ mit der Weltstadt Melbourne direkt gegenüber. Die Skyline begleitete uns an jedem Tag auf unserem Weg zur Arbeit und auf unseren Ausflügen am Meer mit den beiden klapprigen und rostigen Fahrrädern, die wir in der Garage unseres Häuschen ausfindig und fahrbereit machten. Wir genossen die nah gelegene Küste in vollen Zügen und machten es uns im Haus bequem.
Doch die ersten beiden Wochen auf der Abalonefarm vergingen schnell. Glücklicherweise durften wir gemeinsam mit einem Asiaten, der am gleichen Tag eingestellt wurde, gefrorene Abalone verpacken. Mit Gummistiefeln, Schürze, warmen Handschuhen, Haarnetz und Maske ausgestattet, holten wir ein paar Körbe voller Abalone aus dem Kühlraum, verpackten diese zu Päckchen mit je 500 Gramm oder 1kg Gewicht und brachten sie wieder zurück in den Kühlraum. Wie genau die Schnecken ihren Weg in den Kühlraum fanden, wie sie zuvor aufgezüchtet wurden und wohin sie nun gehen würden, erklärte uns niemand. Deshalb waren wir sehr gespannt darauf, aus dem künstlich beleuchteten Packhaus auf die „echte“ Farm heraus zu kommen und mit den lebendigen Tieren arbeiten zu dürfen. Die Vorfreude sollte nicht lange anhalten…
Auf der „echten“ Farm gab es hauptsächlich drei verschiedene Jobs zu verrichten.
Da war einmal die „Ernte“, wobei man mit Gummistiefeln, Kopflampe und einem Spachtel im flachen Salzwasser die Tierchen in Sekundenschnelle vom Boden kratzte, in Plastikkörbe verlud und zu einem kleinen Buggy schleppte. Stundenlang.
Von dort ging es zurück zur Packhalle, wo die sich ständig irgendwo ansaugenden Schnecken auf ein Fließband zur Sicht- und Gewichtskontrolle und Sortierung begaben. Kräftige und unversehrte Abalone wurden, nach Größen sortiert, für den Lebend-Transport zunächst in Wartebecken gestapelt, während die nicht ganz perfekten Exemplare später in Lebensmittelkonserven ihr Dasein fristen würden.
Noch unerfreulicher war es, wenn man zum „Stock Movement“ (Umlagern der Abalone) oder zur „Husbandry“, also Tierhaltung bzw. -zucht, eingeteilt war. „Stock Movement“ war im Prinzip das Bewegen von Schnecken von einem Becken in ein anderes. Im Salzwasser kniend, schwer schleppend und sowieso die ganze Zeit im Dunkeln (so wachsen die Tiere besser), war das wirklich kein Traumjob. Da hatte man bei der „Husbandry“ schon etwas mehr Verantwortung, musste Füttern, Säubern, Zählen, Dokumentieren und für eine stetig gute Wasserversorgung durch Ein- und Ausschalten der Pumpen und Wasserkipper sorgen. Je ein Mitarbeiter war für eine der riesigen Hallen zuständig, von denen es insgesamt zehn Stück zu betreuen gab. Auf ungefähr 100m mal 100m erstreckten sich 48 Becken voller Abalone, die sich in zehn Zentimeter tiefem Salzwasser an den Betonboden saugten und wenig bewegten. An seinem ersten Tag sollte Sven dem Vorarbeiter „nur zuschauen“ und sich ein paar Sachen merken. Das klang machbar. Schweißüberströmt und geschafft sahen wir uns zum Feierabend wieder und er berichtete von den verschiedenen Aufgaben, die er nun in unsäglicher Geschwindigkeit nach einem unglaublich festgelegten Plan sozusagen im Sekundentakt erledigen sollte. Alles im Mordstempo in schlabbernden Gummistiefeln, mit Stirnlampe im Dunkeln, überall war es glitschig und rutschig.
Deborah war noch bei der Ernte, dem „Stock Movement“ und am Sortierband eingeteilt und beneidete Sven so gar nicht um seinen neuen Job. Den Dienstplan beobachteten wir nun mit Sorge, fragten uns, wie wir später im Sommer bei über 40 Grad diesen Job aushalten sollten und fragten uns, wie es weitergehen sollte. Zwar waren die Aufgaben an sich nicht sehr schwer und eigentlich gut zu bewältigen, doch der Zeitplan, den der Vorarbeiter sich ausgedacht hatte, war einfach zu unmenschlich.
Sven kündigte zwei Wochen später nach ein paar Gesprächen mit dem Vorarbeiter. Deborah konnte zwischenzeitlich drei Wochen lang in der Nachtschicht arbeiten und erlebte dort die typische Diskrepanz zwischen australischen und ausländischen Mitarbeitern. Um elf Uhr abends ging es los mit einer ausführlichen Kaffeepause, die nach Auftragslage ein bis drei Stunden lang sein konnte. Dann wurden ein paar Abalone aus den Wartebecken geholt, gewogen, kontrolliert und in Styroporboxen gepackt. Mit einem kleinen Truck ging es nun los nach Melbourne zum Flughafen, von wo aus die teuren Leckerbissen zumeist in asiatische Länder verflogen wurden. Eine Fahrt dauerte um die drei Stunden, sodass nach der erfolgreichen Auslieferung mit teilweise mehreren Stops die Nachtschicht auch schon wieder beendet war. Aufregend wurde es, als Deborah ans Steuer des kleinen Trucks gesetzt wurde und sich allein durch die Straßen und Highways der nächtlichen Großstadt finden sollte. Alles ging gut und ein paar Kaffee trugen zur Aufmunterung bei. Die beiden australischen Mitarbeiter der Nachtschicht konnten sich auf jeden Fall nicht vorstellen, welch ein Knochenjob bei der gleichen Firma bei Tageslicht erledigt werden musste – dann zumeist von Backpackern, Reisenden oder Asiaten.
Auf dem Gelände durften wir leider keine Bilder machen, deswegen nur diese zwei Handybilder von den ersten Tagen.
Da wollten wir endlich mal wieder aus dem uns sehr lieb gewordenen Örtchen Bungaree ausbrechen, auf zu neuen Ufern, einen anderen Job ausprobieren und weitere Erfahrungen sammeln. Doch dass wir uns so schnell wieder in „unserem“ Farmhaus wiederfinden würden, hätten wir selbst nicht für möglich gehalten. Sechs Wochen nach unserem Umzug packten wir unser Hab und Gut wieder ins Farmhaus, wo wir jederzeit willkommen waren. Mit Hilfe von Opa John und Mark reparierten wir Tilly`s Auspuff, der durch ein ansehnliches Loch eine mächtige Lautstärke verursacht hatte.
Außerdem durften wir Zeugen von einem seltenen Ereignis werden: es schneite! Sogar für eine ganze Stunde und der Schnee blieb ein paar Minuten liegen. Der erste Schnee nach drei Jahren.
Vorrangig waren wir aber zur Farm zurück gekommen, um zu arbeiten. Wir wohnten im Farmhaus, arbeiteten aber bei einem weiteren Kartoffelfarmer zehn Kilometer entfernt. Tony hatte uns an Tim weiter vermittelt. Dort war es unsere Hauptaufgabe, die große „seed cutter“ – Maschine zu bedienen. Für das anstehende Pflanzen der Kartoffeln sollten tonnenweise Saatkartoffeln in mindestens zwei Stücke geschnitten werden. Die vornehmlich länglich gezüchteten Erdäpfel, die zur Produktion von Pommes Frites an die Firma „McCain“ geliefert wurden, kamen meist geviertelt oder in sechs Stücke geschnitten aus der Maschine. Da die länglichen Sorten öfter durch die starr ausgerichteten Messer rutschten, mussten wir am Fließband von Hand nachschneiden. Wer nicht gerade ein Messer in der Hand hielt und Kartoffeln zerschnitt, bediente einen der drei Gabelstapler. Ständig musste die Maschine neu gefüllt und die fertig geschnittenen Kartoffeln am anderen Ende in Boxen abtransportiert und gestapelt werden.
Die Aufträge kamen von den umliegenden Bauern, aber auch aus Südaustralien und New South Wales. Je nach Wetterlage waren die Tage sehr entspannt bei sich abzeichnendem Regen oder gerappelt voll mit Aufträgen bei strahlendem Sonnenschein. Schnell konnte sich die Meinung der Bauern ändern und Tim hatte sehr oft das Telefon in der Hand, um Bestellungen oder Absagen entgegen zu nehmen.
Wenn wir einen freien Tag von den Kartoffeln bekamen, fragten wir Adam an, den Mann mit dem riesigen Grundstück. Es gab weitere Bäume zu fällen, hohes Gras mit dem Traktor zu hauen, eine Hütte für Feuerholz zu bauen oder das Gewächshaus zu streichen. Es gab immer etwas zu tun. Als er davon hörte, dass wir noch vor Weihnachten nach Tasmanien wollten, fielen ihm noch so einige kleine Aufträge ein. Vor allem mussten seine gekauften Samen für verschiedene Eukalyptusbäume noch gepflanzt werden. Um die 500 Setzlinge wollte er im nächsten Jahr als Windschutz und Koalaparadies auf seinem Grundstück pflanzen.
Einen vollen Tag brauchten wir, um unsere Tilly wieder startklar zu machen. Dann ging es los nach Melbourne, wo die Fähre uns und die geliebte Tilly in zehn Stunden Fahrt bis nach Tasmanien bringen würde. Als wir ankamen, war es schon dunkel. Wir besorgten uns noch eine Pizza und steuerten ein Freecamp an. Lange hatten wir nicht mehr in der Tilly geschlafen, doch die erste Nacht war schonmal herrlich.
Nun haben wir ganze sieben Wochen Zeit, um die Insel zu erkunden, zu relaxen und ein paar Wanderungen zu unternehmen. Die Rückfahrt ist für Mitte Februar gebucht, pünktlich zum Start der Kartoffelernte – zurück in unserem Farmhaus in Bungaree – the place to be!
Allen Freunden, Bekannten und der Familie wünschen wir ein tolles, besinnliches und friedliches Weihnachtsfest! Genießt den Braten 🙂
8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Merry Christmas,
ich hoffe ihr seit gut in Tasmanien angekommen. Habt Ihr schon einen Tasmanischen Feuerteufel getroffen? Wie ist der Plan bei euch in Tasmanien? Bei uns gibt es gleich Ente zum Mittag. Ich werde gleich Opa abholen und noch mal zu Oma auf den Friedhof gehen.
Wir wünschen euch eine tolle Zeit in Tasmanien und bleibt Gesund
Gruß Ede, Fatima und Yanis
Lieber Ede,
Euch auch noch ein frohes neues Jahr, Gesundheit, Glück und Segen auf allen Wegen!
Ja wir haben schon schöne drei Wochen auf Tasmanien verbracht und ein paar Tasmanische Teufel gesehen. Die meisten davon lagen leider überfahren auf der Straße, aber einem lebendigen mit leuchtenden Katzenaugen sind wir in der Nacht auch schon begegnet.
Unser Plan sieht so aus, dass wir die Ostküste Richtung Süden bis Hobart fahren wollen und westlich wieder gen Norden.
Die erste Mehrtageswanderung war sehr schön, aber auch herausfordernd.
Dann sag mal liebe Grüße an Fatima und Yanis und genießt den Schnee!
Wir wünschen euch frohe Weihnachtstage und eine erlebnisreiche Zeit auf Tasmanien.
Heute gibt es das traditionelle Weihnachtsessen Entenbraten im Kreise der Familie. Jedes Jahr warten zwei Entenbrüste in der Pfanne um verspeist zu werden. Vielleicht haben wir nächstes Weihnachten Glück das die Pfanne endlich mal leer wird ;-).
Seid behütet und bleibt gesund !!!
Eure Ellis
Liebe Ellis,
frohes Neues Jahr auch noch an Euch! Segen, Gesundheit und Bewahrung!
Hoffentlich hattet ihr eine schöne Weihnachtszeit auch ohne uns.
Bei uns gab es diesmal Rumpsteak, das kommt nicht ganz an die Ente heran, war aber auch lecker.
Liebste Grüße aus dem Sommer ☀️
Da haben wir´s wieder. Das, was ihr schon seit Jahren beklagt, ist auf der Abalone-Farm wieder passiert; eine Ungleichbehandlung der Gäste gegenüber Einheimischen. Schon in Indien habt ihr euch mehrfach darüber beschwert! Gut, dass ihr es so genau beschrieben habt, da kann man es gut nachvollziehen, auch aus der Ferne. Die Arbeit scheint auch an sich gar keinen Spaß zu machen, also gut dass ihr weggegangen seid. Etwas Neues ist scheinbar nicht immer gut. Bestimmt waren die letzten Monate besser und wird es in Tasmanien besser.
Ansonsten euch eine schöne Rest-Weihnachts- und Silvesterzeit noch!
Lieber Samuel,
Euch noch ein frohes neues Jahr und Segen und Bewahrung, Gesundheit und Glück!
Hoffentlich hattet ihr eine schöne Weihnachtszeit?!
Ja genau, da hat man es mal wieder gesehen. Wir haben uns die Entscheidung auch nicht einfach gemacht und konnten es nicht ganz glauben, dass der Job so mies ist, dass wir kündigen müssen. Aber manchmal muss man eben auch „nein“ sagen können ☺️
In Bungaree sind wir auf jeden Fall gut aufgehoben und Tasmanien ist ziemlich super bis jetzt.
Alles Liebe nach Dresden 😘🙂
Hallo ihr zwei, liebe Grüße aus dem verschneiten Erzgebirge senden euch die Gälner Bande. Auch wir wünschen euch ein gesundes neues jahr 2021 mit vielen schönen Abenteuren auf euren Reisen. Ich habe heute Homeoffice und mir die Zeit genommen euren Blog mal wieder in Ruhe zu lesen und zu genießen. Auch ihr müsst ganz schön schuften und hart arbeiten , um dann wieder ein paar Wochen die Welt zu erkunden. Ich hoffe ihr werdet mit den Eindrücken und Erlebnissen in Tasmanien belohnt. Hier in Deutschland ist ja zur Zeit alles etwas anders. Die Pandemie hat uns noch voll im Griff. Aber wir machen das Beste drauß und lassen uns nicht unterkriegen. Bleibt schön gesund und genießt eure Freiheit. Liebe Grüße Gunter, Tarek und Corina
Liebe Gälner,
habt vielen Dank für die lieben Worte und guten Wünsche!
Wir werden unsere freie Zeit genießen, bevor die nächste Erntesaison losgeht.
Euch alles Gute, haltet durch und viel Kraft dafür.
Liebe Grüße von uns beiden 😘🌞🌷