

Sie wachten am Morgen auf und schauten der Sonne entgegen. Der blaue Himmel versuchte sich mit dem Blau des Meeres zu messen. Nur hatte dieses mehrere verschiedene Blautöne zu bieten und schimmerte mit kleinen weißen Schaumkronen dem Tag entgegen. Sie waren vollkommen frei und weit und breit die Einzigen in dieser schönen Natur. Der muschelüberzogene Boden begrüßte ihre nackten Füße mit stacheligem Jauchzen. Hin und wieder begegnete ihnen ein tierisches Lebewesen, was sie bisher nur in einem Zoo gesehen hatten. Da waren haiähnliche mittelgroße Fische, wellige Rochen, kreischende Komorane und sogar Delfine zu bestaunen. Aus einem nahegelegenen Busch raschelte ein riesiger Waran heraus, erschrak sich aber dermaßen, dass er sogleich wieder da verschwand wo er hergekommen war. Nach dem gemütlichen Frühstück bereiteten sie ihre neue Angel vor und versuchten sich als blutige Anfänger im Fischen. Das war gar nicht so leicht. Ständig verdrehte sich die Schnur um die eigene Achse und sie waren sich natürlich nicht sicher, ob der Ort, die Tageszeit und die Fischart irgendwie zusammenpassen könnten oder nicht. Einer warf die Angel aus, während der andere die verknoteten Teile nach jedem Versuch wieder enthedderte. Sie standen im angenehm kühlen Wasser, ließen sich die Sonnenstrahlen auf der Haut gefallen und hofften bei jedem neuen Wurf auf ihr Anglerglück. Doch nichts geschah. Dann lasen sie ein bisschen im Schatten unter ihrer Markise, bereiteten das Lagerfeuer für den Abend vor und kochten schon bald die nächste Mahlzeit. Von der touristischen Straße Richtung „Shark Bay“ sind sie einen kleinen nichtssagenden Pfad abgebogen und konnten hier mit ihrer Tilly das Abenteuer genießen. Offroadwege mit manchmal ziemlich herausfordernden Passagen aus extrem losem Sand, Steinen oder tiefen Löchern meisterte die alte Dame ganz wunderbar.
Von Perth konnten sie sich endlich verabschieden. Der Blaubär hat nach einigen mal hoffnungsmachenden, mal trostlosen Besichtigungen neue Besitzer gefunden. Seinen, von den neuen Besitzern angeordneten, Werkstattbesuch zur Qualitätsüberprüfung hat er recht gut gemeistert und wurde ohne großes Trara in neue Hände übergeben. Deborah und Sven mussten schließlich nach vorn schauen. In Perth bekam die neue weiße Herzensdame, die mittlerweile fast schon als Familienmitglied durchgehen würde, brandneue Rennsemmeln verpasst. Über die aktuellen Ausführungen von Straßen- oder Geländereifen hatten sie sich schon oft informiert und ließen sich dann ein letztes Mal beraten. Sie machten einen Termin klar und ließen Tilly in der Werkstatt zurück. Ein paar Minuten später kam schon ein Anruf. Anscheinend passten die ausgesuchten Reifen nun doch nicht auf alle Felgen, denn drei Felgen waren zu klein! Kleinere Reifen waren aber noch teurer, sodass sie lieber direkt neue günstige Felgen dazu kaufen konnten, die auch zu den neuen Reifen passten. Mal wieder preisintensiver als gedacht, doch das Ergebnis konnte sich durchaus sehen lassen.
Auf dem Weg nach Geraldton fühlten sie sich auf den schmalen Landstraßen schnell wie im Wilden Westen. Die Landschaft änderte ständig ihr Gesicht. Von roter Erde und weitem Buschland zu hügeliger Natur in unterschiedlichen Grüntönen. Ab und zu blitzte das klare Blau des Meeres über eine Kuppe und begleitete sie ein Stück des Weges. Rosa, gelbe, blaue, rote, lila und weiße Wildblumen überraschten die Reisenden am Wegesrand, während leblose Kängurukörper in allmöglichen Verwesungsstadien den Kontrast zum farbreichen Leben gaben. Am Abend fuhren sie an einer kleinen Stadt vorbei und machten einen kurzen Stop am Hafen. Als sie wieder losfahren wollten, sprang Tilly einfach nicht mehr an. Sie versuchten es noch ein paar mal, schauten nach den Batterien und nach losen Steckverbindungen, hatten aber keinen Erfolg. Dort am Hafen war das Übernachten im Auto natürlich nicht gestattet, aber sie hatten keine Wahl. Es wurde noch ein gemütlicher Abend mit schneller schmackhafter Pasta und gutem Rotwein. Der folgende Sonntagmorgen war sonnenklar und viele Fischer kamen zum Hafen, um ihre Boote zu Wasser zu lassen. Einen davon fragten sie nach Hilfe. Er schaute kurz in den Motorraum, hatte aber zunächst wenig Zeit, da sein Boot schon im Wasser auf ihn wartete. Nach einer Stunde war der wettergegerbte Mann schon zurück und schob am Heck der Tilly kräftig mit an. Als das nichts half, zog er das Auto ein Stück hinter seinem Boot her. Schon schnurrte der Motor wieder wie eine Katze. Deborah und Sven bedankten sich überschwänglich bei ihm und fuhren sieben Stunden weiter gen Norden, ohne den Motor abzustellen. Zwischendurch schauten sie sich die „Pinnacles“ an, mannshohe uralte natürliche Säulen aus gepresstem Kalkstein, Sand und Muscheln. Ein Rundweg führte sie durch das karge Gebiet. Unterwegs schauten sie nach Autowerkstätten in Geraldton und steuerten am Abend eine davon an. Sie öffnete am Montagmorgen. Glücklicherweise konnten sie in einer Nebenstraße hügelabwärts übernachten, um den Schwung am kommenden Morgen zum Motorstart zu nutzen. Das klappte auch genauso wie sie sich es vorgestellt hatten. Kein Ranger und keine Polizei nahm Notiz von ihnen, genauso wie in der letzten Nacht. Aber sie hatten schließlich auch eine gute Ausrede. Als wäre das nicht schon genug, kam ihnen beim Zubettgehen noch eine Trägerleiste des Bettgerüstes entgegen. Provisorisch halfen sie mit Schrauben nach, bevor sie am nächsten Tag die erforderlichen Nieten und die dazugehörige Nietenpistole kaufen konnten. Der auserkorene Mechaniker war zum Wochenstart leider schwer ausgebucht, konnte ihnen aber den Nachbarn empfehlen, der sich auf Elektrik spezialisiert hatte und den Deutschen sicherlich weiterhelfen konnte. Nebenan kümmerte man sich ausgezeichnet und vergleichsweise günstig um ihr Problem. Tilly bekam eine neue Lichtmaschine und bedankte sich seitdem für die gute Behandlung mit zuverlässigem Motorstart. In Geraldton schauten sich Deborah und Sven noch im Museum, der Kunsthalle und der Kapelle um, füllten die Wasser- und Dieseltanks randvoll und kauften noch ein paar Lebensmittel.
Über Kalbarri und atemberaubende Ausblicke über Steilküsten arbeiteten sie sich bis in die „Shark Bay“ vor, die zum Weltnaturerbe zählt. Ein weiterer Campspot lag eine Stunde von der Hauptstraße entfernt. Sandige Wege und spitze Steine forderten der Tilly einiges ab. Zwischen Dünen konnten die beiden ganz wunderbar ihr kleines Camp aufbauen, angeln, Lagerfeuer machen und die Natur genießen. Auf dem Rückweg bretterten sie einen Tag später über tiefe tückische Sandpfade, um nicht stecken zu bleiben. Bei einer Anhöhe mussten sie mehrmals Anlauf nehmen und schafften es trotzdem nicht hinauf. Der Sand war einfach zu tief und lose. Kurz vor der Kuppe war immer Schluss. Also gruben sie den Sand unter den Rädern weg und platzierten dafür mehrere Äste und Zweige in die Spur. Sven fuhr gefühlvoll an und gab dann Gas. Diesmal schafften sie es gerade so. Natürlich hätten sie zusätzlich auch etwas Luft aus den Reifen lassen oder die Sandbleche nutzen können, doch so ging es wesentlich schneller.
Jetzt befinden sich die beiden in Denham, unter einer Horde von Touristen, die hier ihre Reserven auffüllen oder Tagesausflüge machen. Morgen wollen sie in den nicht weit entfernten Nationalpark im Norden, bevor sie die Halbinsel wieder verlassen und an der Küste weiter gen Norden fahren.
5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Liebe Debbi,lieber Sven,
Gern lese ich eure Beiträge wenn ich mich beim Sport verausgabe.
Auf dem Fahrrad sitzend und eure Beiträge lesend,vergeht die Zeit wie im Flug!
Eine schöne Zeit wünsche ich euch!
Das klingt supi, da nutzt du jede Minute genau richtig 😀 Alles Gute nach Leipzig 😉
Aha, jetzt geht´s weiter. Schön, dass ihr noch Käufer für den Nissan gefunden habt, da seid ihr das Problem wenigstens los, auch wenn der Neue scheinbar ebenfalls kleine Macken hat. Habt ihr eigentlich eure Berichthäufigkeit reduziert oder ist das auf die Turbulenzen der letzten Wochen zurückzuführen? So wie´s aussieht, gibt es jedenfalls genug schöne Fotos zu zeigen, herrlich! Grüße
Hey, ja endlich gehts weiter. Wir sind sehr zufrieden mit der lieben Tilly, für ihr Alter macht sie sich sehr gut 🙂 Sowas wie nen TÜV gibts hier ja nicht, jedes gebrauchte Auto hat so seine Problemchen und wird oftmals privat gewartet. Haben momentan nicht immer WLAN und unser Inverter zum Laptops laden ist auch noch abgeschmiert… werden in Zukunft so oft berichten wie möglich, aber sicherlich nicht mehr jede Woche. Grüße nach Dresden!
Nicht mehr jede Woche? Das ist hart!
Ich kann mir vorstellen, dass es im Landesinneren nur sporadisch Internet gibt. Da müsst ihr wahrscheinlich manchmal suchen. Auf jeden Fall weiterhin viel Spaß und Bewahrung wie bisher!