

Nach sieben Monaten mit Landcruiserdame Tilly auf Reisen freuten sich Deborah und Sven schon über einen Wechsel der Wohnbedingungen. Von mobilen vier Wänden auf Rädern ging es zunächst in die vier Wände eines überschaubaren Bungalows, das ihr neuer Arbeitgeber am Ortseingang von Smoky Bay zur Verfügung stellte. Die Behausung war zwar schon ziemlich alt und abgenutzt, doch was für ein Luxus war doch ein eigenes Badezimmer mit Toilette und warmer (!) Dusche, das man zu jeder Zeit benutzen konnte und für sich hatte?! Ein laufender Wasserhahn mit warmem Wasser zum Aufwaschen, ein Kühlschrank mit genügend Platz, eine Mikrowelle und ein Toaster, ein Wasserkocher, der das Wasser in kürzester Zeit zum Kochen bringt und ein Bett, das für sich im Raum steht und nicht heruntergeklappt werden muss. Was für eine Freude! Die beiden genossen es, nicht mehr jede Kleinigkeit zusammen erledigen zu müssen: zusammen aufstehen, zusammen Zähne putzen, zusammen Essen machen und wegräumen und einfach alles andere auch. Nun konnte wenigstens mal einer im Bett rumlümmeln, während der andere schonmal Kaffee kochte. Und nach zwei Wochen kam es noch besser.
Josh, ein junger Amerikaner, der seine drei Monate Arbeit für das zweite Visum auf der Austernfarm bereits gesammelt hatte, wollte weiterreisen. Die Deutschen konnten nun in das nebenstehende Haus umziehen. Die vielen großen Zimmer waren zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig. Das Schlafzimmer, ein großes Wohnzimmer mit Kamin, den sie jetzt im Winter auch dringend benötigten, die geräumige Küche, das Bad und der Flur mit Waschmaschine und Trockner. Nur die Abflüsse machten etwas Sorge. Wenn sie in der Küche das Wasser zu lang laufen ließen, kam es im Bad wieder aus dem Abfluss heraus. Das musste sich dringend ändern, denn der Geruch war nicht auszuhalten. Die Tüftler des Familienunternehmens, der 89jährige Senior und sein Kumpel, nahmen sich des Anliegens an und Deborah und Sven hatten zum Feierabend wieder ein funktionierendes Abwassersystem. Als sie dann auch noch drei Mäuse gefangen hatten, konnten sie wieder besser schlafen.
Vom Haus aus liefen sie nur fünf Minuten zur Arbeitshalle, in der alle Geräte untergebracht waren, die man so zur Austernproduktion benötigt. Am ersten Arbeitstag lernten sie die zehn „Zippels“ kennen, die das Familienunternehmen „Zippels Smoky Bay Oysters“ führten. Dann bekamen sie direkt gezeigt, wie man die Wathosen am besten anzieht und nahmen jeder noch eine wasserfeste Jacke vom Haken. Es sollte gleich raus auf das Wasser gehen. Bruce fragte nur, ob sie schonmal auf einem Boot gewesen sind, am besten auf dem Ozean. Mehr als ein paar Urlaubsfahrten und Kanuausflüge konnten sie nicht vorweisen, doch das schien schon zu genügen. Also hoch auf eines der zwei Boote, die jeweils von einem Traktor gezogen wurden. Die großen Hallentore wurden aufgezogen, die Boote rückwärts ausgeparkt und zur Bootsrampe des Ortes transportiert. Einige Urlauber mit ihren Angelbooten hatten sich dort schon eingefunden und ließen fleißig ihre Kähne zu Wasser. Auch ein paar weitere Traktoren der Konkurrenz standen schon mit leeren Hängern am Rand. Als die Urlauber die geschäftigen Austernfarmer mit ihren großen Aluminiumbooten sahen, versuchten sie, schnell aus dem Weg zu kommen. Rückwärts wurde das Schiffchen auf das Wasser gesetzt, Bruce fuhr eine große Kurve und riss den Gashebel dann auf Anschlag hoch. Deborah und Sven staunten nicht schlecht über die rasante Fahrt. Schon hatten sie ein Lächeln im Gesicht. In ungefähr acht Kilometern Entfernung von der Küste liegt eine kleine Insel, die unter Naturschutz steht und am Rande dieser Insel sind die Austernfarmen in Hüfthöhe angesiedelt. Es gibt zwei unterschiedliche Systeme, eins mit flachen circa 1,5 Meter langen Körben, die am Rand von zwei Holzstangen gesäumt sind, das andere System bedient sich kleinerer runder Körbe, die auf einer Leine aufgehängt werden. Die Zippels schwören auf die traditionelle Methode mit den flachen Körben, die auf die Reihen aus Holzgestellen gelegt werden und durch den Wechsel von Ebbe und Flut mal über dem Wasser in der Luft hängen, mal im Wasser liegen. Natürlich muss man sich auch bei den Arbeitszeiten an die Gezeiten des Wassers anpassen. So begannen sie manchmal frühs um sieben, dann wieder eine halbe oder eine Stunde später. An vier verschiedenen Standorten des gesamten Farmgebietes von Smoky Bay hat das Familienunternehmen Farmland mit vielen Holzgestellen in Reih und Glied.
An der Farm angekommen, liftete Bruce den Motor, weil das Wasser immer flacher wurde. Sie schoben das Boot an die richtige Stelle an die Reihe, Deborah und Sven sprangen ins Wasser und bedienten die schweren Metallstangen am Bug und Heck des Bootes, um es im Sandboden festzumachen. Dann holte der Chef sein Austernmesser hervor und wurde schon von einigen Möwen umkreist, die genau wussten, was jetzt folgen würde. Er nahm eine Auster aus einem der Körbe, öffnete sie und prüfte die Qualität. Manchmal kostete er sie selbst, manchmal hatten die Möwen Glück. Wenn er das OK gab, konnten die Deutschen damit beginnen, die Gummis, die die Holzstangen der Körbe mit den Gestellen im Wasser verbanden, zu lösen. Danach wurden die Körbe ordentlich auf eine Seite des Bootes geladen. Eine Hand am Ende des Korbes, die andere an der Seite, stemmten sie Korb für Korb mit 60 bis 100 Austern pro Stück auf das Deck. Die Ladung wurde immer höher und als auch die andere Seite des Bootes beladen war, kamen manchmal noch weitere Austern oben drauf. Zwischendurch mussten die Metallstangen immer wieder hochgezogen, das Boot ein Stück weiter geschoben und wieder verankert werden. Meist holten sie von den verschiedenen Gebieten die Körbe ab und waren dann um die zwei Stunden auf dem Wasser.
Es folgte meist eine kurze Teepause, bevor es ans Entladen der Boote ging, die anstrengendste Arbeit des Tages. Vierzehn Körbe passten auf jeder Seite der Länge nach auf ein Boot und die höchste Beladung lag bis jetzt bei 15 Lagen übereinander. Also mussten um die 400 Körbe einzeln vom Deck gezogen werden und auf die Kanten eines großen weißen Behälters gelegt werden, um die Austern aus den beiden Taschen zu schütteln. Der volle Behälter wird dann zur Wasch- und Sortiermaschine transportiert. Haben sie diesen Schritt erfolgreich bewältigt, werden sie wieder zur Abfüllmaschine geladen, in trockene Körbe gepackt und kommen erneut auf das Boot. Es mag vielleicht ein bisschen komisch klingen, die gleichen Austern nach dem Waschen und der Größensortierung wieder auf das Boot zu laden und ins Wasser zu bringen. Doch jede Auster wird ungefähr sechs bis achtmal in einem Zeitraum von zwei Jahren dieser Behandlung unterzogen, bevor sie überhaupt verkauft wird. Ganz schön viel Arbeit für den Preis von einem Dollar pro Stück. Neben dem Ent- und Beladen der Boote ordneten die beiden noch nasse und trockene Körbe, sortierten Austern per Hand und machten je nach Auftragslage zwei bis drei Kisten voller Austern fertig für den Verzehr. Da werden die Austern mit einem Druckluftmesser geöffnet, vom Muskel getrennt und einmal herumgedreht, bevor sie auf den Teller kommen.
Die erste Auster die sie probieren durften (welche gleichzeitig die erste war, die sie je gegessen hatten) war sehr salzig und hinterließ einen langen Nachgeschmack, der an eine würzige Meeresbrise erinnerte. Wenn ein paar geöffnete Austern übrig blieben, durften die Deutschen diese manchmal mit nach Hause nehmen. Der Chef zeigte ihnen auch wilde Austern und den Schermesserfisch und ließ sie von beidem probieren.
An den Wochenenden gingen sie angeln, fuhren die 50 Kilometer zum Einkaufen nach Ceduna oder machten einen Ausflug zum Point Brown, wo herrliche Strände und Delfine auf sie warteten. Einmal angelten sie zusammen mit Josh auf der Seebrücke und konnten für das Abendessen zwei Heringe und fünf Makrelen mit nach Hause nehmen. Ein Delfin jagte an der Seebrücke direkt unter der Wasseroberfläche einem Fisch hinterher und das auf dem Rücken. Ein herrliches Schauspiel. In der Bucht hatten sie schon einige Delfine und ein paar Seelöwen gesehen, die immer neugierig über die Wasseroberfläche lugten, um zu sehen, was da los ist.
Nun wisst ihr erstmal, was bei uns so los ist. Allen Müttern einen wundervollen Muttertag, bleibt wie ihr seid und bis zum nächsten Mal!
8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Na da habt ihr ja echt Schwein gehabt mit der Wohnung und dem Job. Ich hoffe für euch, dass es weiterhin so gut läuft. Hatte ja auch gern mal ne Auster probiert, aber der Weg ist so weit. Bei uns versucht es gerade Frühling oder Sommer zu werden, ein Wechselbad der Jacken. Ich freu mich für euch in der Ferne und drück euch ganz lieb. Auch von Jörg viele Grüße.
Wieder schöne Bilder von euch. Bei uns sind zur Zeit die Eisheiligen und es ist ganz schön kalt.
Wollen am Wochenende mal in eure alte Heimat nach Leipzig fahren. Besuchen mit Oma und Opa mal des Panometer.
Euch noch eine schöne Zeit. Bleibt schön gesund.
Euer Bubi
So wie es klingt, ist das WARME Wasser die größte Errungenschaft eurer neuen Behausung. Wohnt ihr sogar mietfrei? Werden die Austern vor allem in Australien gegessen oder exportiert (wenn ja, wohin)? Viele Grüße
Ja wir haben es ganz gut hier, auch wenn wir leider nicht mietfrei wohnen dürfen 😉 . Werden aber hoffentlich noch etwas Stromgeld zurückbekommen am Ende. Bei uns ist der Winter auch im vollen Gange und wir heizen den Kamin des Öfteren ordentlich ein. Vielleicht wird es nächste Woche schon den ersten Frost geben, da ist eine heiße Dusche schon herrlich nach der Arbeit. Die Austern, die wir hier produzieren, werden ausschließlich in Australien verspeist. Der Großteil geht nach Melbourne und Adelaide auf den Großmarkt.
Viele Grüße zurück an Alle
Wow, klingt sehr spannend aber auch anstrengend. Aber bei so einer guten Unterkunft und Arbeiten am Meer, lässt es sich ja einige Zeit aushalten 🙂 Ich wünsch euch noch eine schöne restliche Zeit auf der Farm. Bis bald. LG
Hey, ja am Meer lässt es sich wirklich gut aushalten! Besser wär jetzt nur noch eine Kitesurfausrüstung und das Können, diese auch zu benutzen 🙂
Ich bin begeistert von euren Fotos und euren Erlebnissen., wenngleich es sicher eine schwere Arbeit ist. Habt ihr inzwischen den Austerngenuss entdeckt?- mit Butter und Zitronensaft ? Oder wie schmecken sie euch am besten?
Und diese Farben- einzigartig‼️
Ich bin gespannt auf euren nächsten Bericht.
Liebe Grüsse von einer Möchtegernweltreisenden und Danke für Debbies E-Mail
Hey Christel, schön von Dir zu hören! Ja die Austern essen wir jetzt meist nur noch aus dem Ofen oder gedünstet, auf Dauer sind die rohen Tierchen dann doch zu krass 😉 Da haben wir dann meist Kräuter und Käse drauf.
Was hindert Dich am Reisen? 😀