

Ein Kaffee oder zwei
Deborah schwebt im siebten Himmel. Überall gibt es Kaffee! Vietnam zeigt sich als zweitgrößter Kaffeeproduzent von seiner Schokoladenseite und heißt die beiden Reiselustigen immer wieder freudig am Kaffeetisch willkommen. Den koffeinhaltigen Wachmacher trinkt man hier am liebsten eisgekühlt und supersüß, eine herrliche Erfrischung und ein Energiekick zugleich. Der beste Eiskaffee wird zunächst heiß serviert. Dann bekommt man einen guten Schluck Kondensmilch in einem Glas serviert. Darauf thront der typisch vietnamesische Kaffeefilter, eine abnehmbare Konstruktion, die auf der untersten Ebene das geliebte Kaffeepulver auf einen Filter bettet und darauf ein schweres Sieb platziert, das mit dem brühenden Wasser gemächlich zu Boden sinkt. Ein kleiner Deckel hält das Gebräu warm. Die Kaffeedurstigen müssen sich allerdings gedulden, denn der fertige Kaffee tropft langsam und bedächtig auf die süße Milch und bildet seine eigene abgetrennte Schicht. Meist können es sich die beiden nicht verkneifen, einen Löffel Kondensmilch zu naschen, bevor sie die zwei Schichten kräftig miteinander verrühren. Das kann schonmal zwei oder drei Minuten Löffelklirren bedeuten, denn dann wird das dickflüssige Gemisch erst richtig schön aromatisch und cremig. Nach dem Geschmackstest der noch warmen Flüssigkeit kommen viele Eiswürfel hinzu oder es gibt ein separates Glas voller Eis, in das der Kaffee umgefüllt wird. Wenn jetzt noch etwas Eis schmilzt und das Getränk gekühlt und verdünnt ist, steht dem Genuss nichts mehr im Wege. Außer vielleicht ein korrespondierendes Stück saftigen Kuchens, den man leider vergeblich suchen wird. Aber das tut dem Ganzen keinen Abbruch, im Gegenteil, man konzentriert sich umso stärker auf das köstliche Aroma auf der Zunge und genießt die süßkalte Supermischung fast immer für weniger als einen Euro zu zweit. Und den dazugehörigen Eistee gibt es ja auch noch. Ab und zu wird auch ein Cappuccino oder ein Kaffee mit Kokosmilch oder Joghurt getrunken. Das Land ist da sehr vielfältig und einfallsreich. Heute haben sie den noch ausstehenden speziellen Eierkaffee probiert, für den ein Eigelb mit der Kondensmilch zusammen aufgeschlagen wird. Eine sehr cremige und luftige Angelegenheit.
Die Pausen sind also gesichert. Bei der vorherrschenden Hitze sind diese auch notwendig. Vor allem, wenn Sven und Deborah mit der „Turbine“ und dem „Bagaluden“ weitere Orte rollend erkunden. Svens Roller bekam seinen Namen durch die Geräusche, die er beim Fahren verursacht und Deborahs Roller…naja, ein Dreamteam eben. Gestern erreichten sie ihr letztes vietnamesisches Reiseziel, Ho-Chi-Minh-City oder Saigon, wie die Vietnamesen lieber sagen. Auf dem Highway war es unglaublich heiß und stickig. Die Sonne prasselte vom Himmel, zudem dunsteten die LKWs gewaltige Föhnluft aus und wirbelten den Staub in die Luft. Jede Menge Rollerfahrer machten das Treiben verrückt. Regeln gibt es keine. Mal fahren die Langsamen links, mal in der Mitte. Mal ist der Weg durch ein stehen gebliebenes Gefährt versperrt, mal biegt ein Auto rechts ab und hindert die Schar der Zweiräder am Weiterfahren. Glücklicherweise hatten sie trotz mehrmaliger Vorwarnung keine Polizei gesehen. Das lag sicherlich an der Mittagshitze, in der auch die Polizisten lieber Eiskaffee tranken, anstatt Touristen auf Banalitäten hinzuweisen und abzuzocken.
In der Woche zuvor erreichten die beiden mit ihren momentan sehr zuverlässigen Bikes einen neuen Rekord. Sie fuhren über 300 Kilometer weit an einem Tag. Dabei arbeiteten sie sich in den Süden vor bis zu einem recht unbekannten Örtchen am Meer. Am Abend zuckelten sie eine Stunde durch die Dunkelheit und fanden irgendwann endlich ein schönes Zimmer für zwei Nächte. Den folgenden Tag nutzten sie zum Ausruhen und starteten, wie sollte es anders sein, mit einem Eiskaffee am See. Dann fuhren sie zum Strand, erfreuten sich an den Wellen, dem Sand und der Sonne und schlenderten am Abend durch ein Einkaufszentrum. Die erstandenen Spielwürfel probierten sie direkt danach mit ein paar Runden Kniffel aus und zeichneten ihre Ergebnisse in dem neuen Schreibheft auf. Die männliche Besatzung gewann alle Spiele, aber „Frau gibt nicht auf“, die Revanche ließ nicht lang auf sich warten. Ein Balkon mit etwas Meerblick im nächsten Ort war der ideale Platz dafür. Mit einer Flasche Wein und etwas zu Knabbern machten es sich die beiden dort nach einem weiteren anstrengenden Tagesmarsch gemütlich und würfelten und quatschten bis ihnen die Augen zufielen. Am nächsten Morgen frühstückten sie in ihrem Zimmer. Sie hatten sich etwas Obst besorgt, das mit Hilfe des kleinen Kühlschrankes zu einem erfrischenden Snack wurde. Bei der Ankunft in Nha Trang ist ihnen schon die allgegenwärtige Meute an Touristen aufgefallen. Vor allem russische Urlauber prägten das Bild auf den Straßen, in den Restaurants und Hotels und natürlich auch am Strand. Mehrmals wurden sie auf Russisch angesprochen und bekamen abschätzige Blicke, wenn sie in dieser Sprache nicht antworten konnten. Nha Trang erlebt durch günstige Flüge und Pauschaltouristen einen mächtigen Aufschwung. So war es nicht wunderlich, dass viele westliche Speisen und Getränke angeboten wurden. Darunter auch eine Art Döner mit Fladenbrot, Salat und wunderbar zartem Hühnchenfleisch. Die Meeresfrüchte und gegrillten Fische sahen natürlich ebenso zum Anbeißen aus, hatten aber ihren Preis. In der Stadt gab es nicht sonderlich viel zu sehen, sodass Deborah und Sven zumindest die Cham-Türme, die heute noch als buddhistische Anbetungsstätte genutzt werden, und die auf einem Hügel liegende Pagode besuchten.
Bevor sich die beiden nach Saigon aufmachten, verweilten sie für drei Nächte in Mui Ne, einer kleinen Stadt am Meer mit sehr gutem kulinarischen Angebot und sandiger Umgebung. Hier konnten sie sich Fisch mit Ingwer, gebratene Shrimps, köstliches Krokodil und Thunfischsteak mit Maracujasoße leisten. Die Hauptstraße führte an der roten und weißen Düne und am „Red Canyon“ vorbei. Letzterer wurde in einer Art Park angelegt und zeichnete sich durch mehrere kleine Canyons aus, die einzeln betreten werden konnten. Zwischendurch kamen sie an Cashewbäumen, kleinen Seen und Sandskulpturen vorbei. Die restlichen Tage füllten sie mit Strandspaziergängen und Meerbesuchen, die durch unterschiedliche Qualität des Strandes mal länger, mal kürzer ausfielen.
Auch der nächste Ort, die letzte Station vor Saigon, lag am Meer. Es war eine Halbinsel mit dem Namen Vung Tau. Durch die Nähe zur Großstadt Saigon gab es viele Hotels und Gästehäuser zur Auswahl und unter der Woche ein Zimmer mit Meerblick zu einem vernünftigen Preis. Dagegen stiegen die Übernachtungspreise am Wochenende ins Unermessliche, wodurch die Globetrotter den Aufenthalt nicht mehr verlängern konnten. Trotzdem hatten sie Zeit, sich die Berge am Meer mit der Christusstatue und dem Französischen Fort anzuschauen und verbanden die Besuche mit kleinen Wanderungen und Rollerausflügen. Mehrmals mussten sie dabei auf halber Strecke wieder umkehren, da der Weg plötzlich endete oder von einem verschlossenen Tor mit Wachhund oder Wachpersonal versperrt wurde. Dann ergötzten sie sich auf dem Rückweg am sagenhaften Ausblick eben noch einmal. Solch einen tollen Ausblick auf das Meer und die Stadt hatten sie auch in Danang, von wo sie im letzten Beitrag berichteten. Dort ging es vor zwei Wochen mit dem Roller durch den Nationalpark. Steile grüne Berge dienten direkt am Meer als Ausflugsziel. Der Roller sah die Anstrengung nicht ganz ein und hatte Schwierigkeiten, mit der schweren Last der beiden Deutschen die Berge zu erklimmen. Wenn es zu steil wurde, musste Deborah absteigen und laufen. Sven trieb den Roller an seine Grenzen, schob mit den Füßen mit an und schaffte es gerade so. Auch andere Touristen liefen fleißig die Berge hoch, immer hinter ihren Rollern her. Die schweißtreibende Aktion hatte sich dennoch sehr gelohnt. An der Spitze angekommen konnten sie auf der einen Seite die Stadt am Meer bewundern, auf der anderen Seite den verschwimmenden Horizont. Und rückzu schalteten sie den Motor ab, sausten geräuschlos die Berge hinunter und wurden von stillen Fotografen überrascht, die ihre Objektive in die Wildnis dirigierten. Auf dem verlassenen Weg gab es mehrere Affengruppen zu sehen. Leise stiegen sie ab und schauten den Tieren beim Nichtstun zu. Ein Stück weiter gruppierten sich mehrere Experten hinter einem Tarnnetz zusammen. Einer von ihnen erklärte die Aktion. Sie fotografierten gerade seltene Vögel, die in einer Pfütze am Berg badeten und wollen bald ein Buch herausbringen, das den Nationalpark näher beschreibt und damit ein Stück weit vor Massentourismus und Hotelbauten schützt.
Die Highlights der Stadt, die „Lady-Buddha-Statue“ und die „Drachenbrücke“ holten sie ebenfalls nach. Am Abend, hieß es, sollte die Brücke von einer Feuershow erleuchtet werden. Bis dahin war noch etwas Zeit, sodass das Pärchen eine weitere Geschmacksrichtung, Kaffee mit Maracuja, testen konnte. Dann war es endlich soweit. Sie warteten an der Brücke auf den Start der Show und sahen… nichts. Nach ein paar Minuten entdeckten sie die Flammen, die aus dem Kopf des Drachen gefeuert wurden. Die Deutschen standen aber leider auf der anderen Seite, am Schwanz des Drachen und konnten nicht viel sehen. Wirklich aufregend war das nicht und irgendwie hatten sie sich das anders vorgestellt, aber sie hatten auch nicht viel verpasst. Zurück im Zimmer schauten sie noch den aktuellsten Tatort und schliefen dann selig bis zum nächsten Morgen.
Die letzten Wochen waren wieder gut gefüllt mit unterschiedlichen Orten und Zimmern, mit einigen Sehenswürdigkeiten und Naturerlebnissen und vielen großen und kleinen menschlichen Begegnungen. Die Stunden und Tage vergingen wie immer auffällig schnell, sodass die Reise nun schon gute 200 Tage andauert. Eine wunderschöne Zeit liegt hinter ihnen, eine wunderschöne Zeit vor ihnen. Es könnte nicht besser sein!
9 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Liebe Debbi und Sven, immer ist jemand mit Schlafen dran bei uns (Papa hatte Nachtdienst (Anmerkung der Redaktion)); es ist eigentlich sehr witzig. Freut ihr euch darüber? Mama hat unsere Stühle schön neu angemalt. Ich hoffe, wir kriegen dann auch mal so coole Motorroller, wie ihr da habt. In eurem Motelzimmer fühlt ihr euch da etwa wie zuhause? Ich finde, dass ihr euch mal ein bisschen beeilen müsstet mit dem Fahren, weil alle euch wieder sehen wollen. Hoffentlich findet ihr coole Schätze und zeigt uns die dann. Freche Grüße von Jamila
Liebes Fräulein Jamila,
vielen Dank für Ihre freudige Botschaft, die uns die Brieftaube kürzlich übermittelt hat. Es ehrt uns sehr, von Eurer Durchlaucht zu hören! Finden Sie denn auch etwas Bettruhe, wenn ständig jemand schläft oder müssen Sie sich dann um den ganzen Haushalt selbst kümmern? Oder haben Sie eine Küchenmagd für die einfachen Arbeiten? Sie sollten mal unter ihren neu angemalten Stuhl schauen, vielleicht finden Sie ja eine Erbse, liebste Prinzessin?! Ein Motorroller wäre wohl eher nichts für eine feine Dame wie Sie es sind. Nehmen Sie doch lieber die Kutsche, das dürfte deutlich angenehmer sein! In der Tat sind wir fleißig am Schätze sammeln, nur fehlen uns manchmal die passenden Schatzkarten dazu. Können Sie uns da vielleicht aushelfen? Wir eilen und weilen wie die Tage es zulassen und fühlen uns meist recht wohl, vielen Dank der Nachfrage. Nun denn, seid freundlich gegrüßt aus der weiten Ferne! Wir denken an Sie und Ihre Gefolgschaft!
Liebe Grüße aus dem asiatischen Hinterland 🙂
Eigentlich ist es witzig, was du geschrieben hast. Was sollte denn ein Smiley am Ende sein; soll das etwa Stoppzeichen sein? Ich bin wirklich sehr gespannt, was ihr für Schätze mitbringt. Ich habe mir eine Sammlungskiste gemacht, schöne Malsteine. Sie sehen ganz kunstvoll aus. Ich sehe ziemlich witzig aus im Mund. In meinem Mund sind zwei Erwachsenenzähne, die haben ganz spitze Zacken. Die anderen sind noch Kinderzähne… . In der Kita ist es ziemlich cool! Eure Jamila
Ja wir sind ja beide von der gleichen witzigen Familie, was?! Immer diese Punkte oder Ausrufezeichen machen doch keinen Spaß, dann lieber mal einen Smiley am Ende 🙂 😀 :O Aber mach das nicht in der Schule später, dann schimpfen die nämlich. So eine Schatzkiste hatte ich früher auch, da war ganz schön viel Krimskrams drin. Mit deinen neuen Beißerchen kannst du bestimmt fast mit dem Papa mithalten oder? Kannst du ein paar Freunde aus der Kita dann mit in deine Klasse nehmen? Liebe Grüße von der Tante aus Kambodscha
Tja, was sich die Mili so für Gedanken macht, echt süß, oder?
Aber recht hat sie, fahrt mal etwas schneller, Ihr zwei Schleckermäuler!
Freut mich immer, wie positiv Eure Berichte klingen, vielen Dank für Eure Mühe damit und die herrlichen Bilder! Liebe Grüße Eure Mutsch
Ja da hast du recht, ein sehr niedlicher Nichtenkommentar!
Wir holen schon immer das Größtmögliche raus aus unseren “Bikes” und ein bisschen was wollen wir ja auch sehen, wenn wir schonmal hier sind 😉
Wir denken an euch, liebste Grüße!
Fetzig, die Ausflüge, sehr kreativ geschrieben, man riecht den Kaffeeduft bis hier.
Schön dass ihr immer gut ausseht auf den Bildern, gibt’s auch üble Face`s ?
Moped möchte ich bei euch nicht sein!
Ich lese der Martina immer schön vor. Bleibt gesund!
Hi ihr, danke! Die üblen Bilder behalten wir lieber für uns, ist dann doch nicht so sehenswert 😉
Unseren Rollern gehts zum Glück gut, müssen uns ja leider bald voneinander verabschieden…
Ihr auch, bis bald!
Herzlichen Glückwunsch und Gottes Segen zu Deinem Geburtstag
sendet Dir, lieber Sven, mit Psalm 28,7
Oma Irmgard